Die ständige Gefahr

TENNIS Genau 16 Jahre nach seinem ersten spektakulären Erfolg bezwingt der 32-jährige Lleyton Hewitt im Finale von Brisbane Ausnahmekönner Roger Federer. Dabei liegt der letzte Turniersieg des stets so beherzt kämpfenden Australiers über drei Jahre zurück

„Kompromisse gibt es bei mir nicht“

LLEYTON HEWITT

VON JÖRG ALLMEROTH

Es war der 5. Januar 1998, an dem ein schmächtiger Teenager im beschaulichen Adelaide die Tenniswelt aufhorchen ließ. Mit hellwachem Kopf und schnellen Beinen stürmte Lleyton Hewitt damals in seiner australischen Heimatstadt gegen den hochfavorisierten Landsmann Jason Stoltenberg zum Turniersieg. Hewitt war gerade 16 Jahre und zehn Monate jung, nur zwei andere Spieler waren jemals jünger, als sie eine Trophäe im Wanderzirkus der Professionals in die Höhe stemmen durften. Und Hewitt, der Qualifikant, gewann den Wettbewerb mit der niedrigsten Weltranglistenposition, die in den Geschichtsbüchern des Sports festgehalten wurde – Rang 550.

Genau 16 Jahre später ist der unermüdliche, unverzagte, unverdrossene Hewitt noch immer unterwegs in der Hochgeschwindigkeitsbranche – und wie: Doppelt so alt, aber keineswegs müde, landete der Südaustralier in Brisbane gleich zu Saisonbeginn einen süßen und sentimentalen Titelcoup, zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle, exakt am 5. Januar 2014. „Einfach wunderbar“ nannte Hewitt seinen 6:1, 4:6, 6:3-Überraschungssieg gegen Maestro Roger Federer, passenderweise eine Woche vor dem ersten Grand-Slam-Höhepunkt der Saison in Melbourne, den Australian Open. „Er ist ein Kerl, der ganz viel Courage und ein großes Tennisherz hat“, schwärmte Tennislegende Rod Laver, der die Siegerzeremonien auf dem Centre Court vorgenommen hatte – nach einem Finale zweier 32-jähriger Familienväter, deren langer gemeinsamer Weg in der Szene schon bei internationalen Kinder- und Juniorenturnieren begonnen hatte.

Was ihn bereits in der Frühphase seiner Karriere auszeichnete, macht den Tennis-Oldie Hewitt auch nun im reifen Alter noch immer stark: eine natürliche sportliche Kampfeslust, die ihn stets bis an die körperlichen Grenzen gehen lässt, wenn nicht darüber hinaus. Eine verzehrende Leidenschaft, die größer ist als die fast aller seiner jüngeren und ganz jungen Gegenspieler. Und diese unbeugsame Charakterhaltung, nie, nie, nie aufzugeben, auch wenn die Chance auf den Sieg noch so gering sein mag. „Ich habe Lleyton immer als einen der großen Fighter im Tennis bewundert, als einen der größten Fighter aller Zeiten sogar“, sagte am Sonntag der geschlagene Weggefährte Federer. Schon vor dreieinhalb Jahren hatte Hewitt den Eidgenossen ähnlich verblüffend bezwungen, bei seinem bis dato letzten Turniersieg im ostwestfälischen Halle, bei den Gerry Weber Open.

Hewitt war Ende des vorigen Jahrhunderts, bald nach seinem ersten Triumph in Adelaide, an die Weltspitze vorgeprescht, in einer Epoche, die noch den schnellen Aufstieg ganz junger Profis zuließ. Mit seinem brillanten US-Open-Sieg gegen Pete Sampras, bei dem er sich als exzellenter Konterspieler profilierte, rückte er erstmals ins globale Rampenlicht. Noch vor seinen talentierteren Generationskollegen Federer und Roddick holte Hewitt sich einst die wichtigste Trophäe im Tennis, den Wimbledon-Pokal, den er 2002 gegen den Argentinier David Nalbandian gewann. Anschließend machte ihm, wie vielen Profis dieser Generation, der unaufhaltsame Aufstieg von Federer zu schaffen. Grand-Slam-Titel waren auf einmal außer Reichweite, erst recht, als auch noch Rafael Nadal die große Tennisbühne betrat.

Aber Hewitt blieb sich stets treu, ein unprätentiöser Straßenkämpfer des Tennis. „Kompromisse gibt es bei mir nicht. An dem Tag, an dem ich mit halben Sachen zufrieden bin, höre ich lieber auf“, sagt Hewitt. Selbst viele schwere Verletzungen warfen ihn nicht aus der Bahn. Daheim in Australien taten sich seine Landsleute wegen seiner rauen Aggressivität lange Zeit schwer, ihn ins Herz zu schließen. Auf seine alten Tennistage haben sie ihn aber lieben gelernt – auch in Anerkennung seines steinigen Lebenswegs im Tennis. „Rusty“ nennen sie ihn mit ein wenig Ironie nun, den ewigen Kämpfer. Von Rost oder sonstigen Verschleißerscheinungen kann aber im Fall von Hewitt eigentlich nicht gesprochen werden. Wenn in einer Woche die Australian Open beginnen, werden sich viele Mitstreiter wünschen, ihm, dem Weltranglisten-Dreiundvierzigsten, nur nicht allzu schnell zu begegnen. Hewitt ist mit 32 immer noch und immer wieder eine Gefahr – für jeden im Tourgeschäft.