JAN KAHLCKE ÜBER MILITANTE PROTESTE IM HAMBURGER STADTTEIL ST. PAULI
: Ende der Debatte

Steht Hamburg am Rand eines Bürgerkriegs? Den Eindruck kann man gewinnen, seit an Weihnachten eine Großdemonstration für den Erhalt des Autonomen Zentrums Rote Flora aus dem Ruder gelaufen ist, bevor sie richtig angefangen hatte.

Die Polizei änderte zweimal die angemeldete Route – nur um die Demonstration dann trotzdem zu blockieren. Ein Angriff auf das Demonstrationsrecht, der zum Eindruck führen kann, dieses Grundrecht müsse zur Not auch mit körperlichem Einsatz erstritten werden. In Hamburg wie in Kiew oder Istanbul.

Doch rund um die Demonstration kam es zu Angriffen auf die Polizeiwache Davidstraße im Stadtteil St. Pauli, ein Polizist wurde schwer verletzt. Abgesehen von dem Maß an Menschenverachtung, das es braucht, um einem Streifenpolizisten unvermittelt einen Pflasterstein ins Gesicht zu schleudern – wie bescheuert muss man sein, um die Davidwache anzugreifen? Das pittoreske Revier an der Reeperbahn gehört zur Hamburger Folklore. Da hätte man gleich „Großstadtrevier“-Star Jan Fedder den Kiefer brechen können. So einiges spricht dafür, dass die Täter ein gutes Stück weg von den Aktivisten der Roten Flora sind, intellektuell und vielleicht auch räumlich.

Natürlich regt sich jetzt Solidarität mit der Polizei. Die Polizeigewerkschaften können ihre altbekannten Forderungen aus der Mottenkiste holen: mehr Geld, mehr Beförderungen, mehr Stellen. Und natürlich kann die Polizei jetzt mehrere Stadtteile zum Gefahrengebiet erklären, in dem sie schalten und walten kann, wie sie will. Und die regierende SPD applaudiert.

Die Davidwachen-Angreifer haben es geschafft, dass über alles geredet wird, nur nicht über das Demokratieverständnis und Strategiefehler der Polizeiführung. Dazu hätten die Polizeigewerkschafter etwas sagen können. Müssen sie jetzt aber nicht mehr.

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