Die Fata Morgana vom eigenen Auto

MOBILITÄT Tausende Kubaner träumen von einer eigenen Blechkiste. Aber die ist unerschwinglich

Die Regierung in Havanna will kräftig mitverdienen

HAMBURG taz | „Der Kauf eines Autos wird für mich ein Traum bleiben. Kaum jemand wird sich diese Preise allerdings leisten können“, sagt Nora Núñez. Wie viele andere hat die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität von Santiago de Cuba auch gespannt darauf gewartet, bis am Freitag die ersten staatlichen Agenturen ihre Angebote präsentierten. Die waren mehr als gesalzen. 262.185 Peso Convertible (CUC) wurden für einen Peugeot 508, Baujahr 2013, laut der Liste einer staatlichen Agentur verlangt. 69.195 CUC waren es für einen gebrauchten Suzuki Jimmy aus dem Jahr 2008 und 45.000 für einen Hyundai Accent aus dem Jahr 2011.

Saftige Preise, die mit den Lebensrealitäten in Kuba wenig zu tun haben, denn die Kubaner werden in aller Regel nicht in CUC bezahlt. Der CUC ist die harte, an den US-Dollar gekoppelte Währung, die in etwa dem Wert des Dollars entspricht. Die in Kuba feilgebotenen Autos wären also auch in den USA oder in Europa stark überteuert. Noch krasser ist es für Kubaner, denn sie verdienen Peso Nacional (CUP). Diese Währung ist ungleich weniger wert als der CUC, muss im Verhältnis 24:1 getauscht werden – und derzeit liegt das Durchschnittseinkommen bei 466 CUP.

Für die allermeisten Kubaner ist der Autokauf somit nicht mehr als eine Illusion. Aber auch die wenigen, die etwas auf die hohe Kante gelegt oder wohlhabende Familienangehörige in Miami haben, waren sprachlos angesichts der happigen Preise. Die kommen nicht von ungefähr, denn der Staat will mitverdienen. 20 Prozent dürfen die staatlichen Importeure auf den Verkaufspreis aufschlagen, weitere 10 Prozent fallen für Steuern an, der Aufschlag für die staatlichen Verkaufsagenturen beträgt 8 Prozent, und die Agenturen dürfen noch eine Gebühr für Aufwendungen berechnen.

Die Begründung der Regierung für die Preispolitik ist denkbar einfach: In die öffentliche Infrastruktur müsse investiert werden. In einen Fonds will die Regierung von Staatschef Raúl Castro die zusätzlichen Einnahmen lenken, die für die Verbesserung des völlig überlasteten öffentlichen Nah- und Fernverkehrs verwandt werden sollen. Die Einnahmen könnten jedoch knapper ausfallen als kalkuliert. Die hohen Preise könnten auch die abschrecken, die eigentlich recht liquide sind. Dazu gehören Musiker, Künstler, Restaurantbetreiber oder Vermieter. Erstere fuhren früher mit den Sondervollmachten günstiger. Darüber erhielten sie die Möglichkeit, Autos zu erwerben, allerdings oft zu günstigeren Preisen, da sie oft zu den Aushängeschildern der Insel gehören. Das könnte nun Geschichte sein.

Gabriel Calaforra, ein ehemaliger kubanischer Diplomat aus Havanna, schätzt den Effekt des freien Autoverkaufs als nebensächlich ein. „Die Leute machen sich hier viel mehr Gedanken über die Währungsreform, die kommen und aus zwei Währungen eine machen soll. Selbst wenn ich Geld hätte, würde ich doch nicht vor der Umstellung ein Auto kaufen“, so der 79-Jährige.

Die Währungsreform, so besagen die Gerüchte in Havanna, soll im März kommen. Den Traum vom eigenen Auto werden die Vermögenden mindestens bis dahin zurückstellen, doch für die meisten wird die eigene Blechkutsche wohl eine Fata Morgana bleiben. KNUT HENKEL