JOSEF WINKLER ÜBER WORTKLAUBEREIDIE FRAGE IST NUR: WIE LÖSEN WIR JETZT DAS GANZE?
: Die Bundespräsidentenwahlluft brennt

Montag Anja Maier Blagen Dienstag Martin Unfried Ökosex Donnerstag Matthias Lohre Männer Montag Martin Reichert Landmänner DienstagK.-P. Klingelschmitt Älter werden

Sie haben es gut, bei Ihnen ist schon Donnerstag, und die Partie ist gelaufen. Hier bei uns in der Vergangenheit ist es aber gerade noch total spannend. Wir fiebern alle mit. „Hier brennt die Bundespräsidentenwahlluft“, um mal einen sprachbetäubten RTL-WM-Kommentator zu paraphrasieren (Was bitte ist „Fußballluft“? Egal). Wir könnten noch etwas über den Freiheitsbegriff von Joachim Gauck (gähn) diskutieren, aber mich interessiert vor allem, dass uns in Aussicht gestellt wurde, im Falle eines Scheiterns der Wulff-Wahl könnte Schwarz-Gelb endgültig in Stücke fliegen. Das ist zwar nicht konstruktiv, aber ich bin vor Abscheu vor diesen Leuten und den Dingen, die sie tun bzw. nicht tun, mittlerweile so entmenscht, dass ich sagen möchte: Burn, motherfucker, burn.

Hier im Früh-ICE Berlin–München ist derweil noch alles ruhig. Der Schaffner, ein dicker, gemächlicher Bayer, ist erst einmal richtig geprüft worden, in der 134. Minute, als ein dynamisch-durchtrainierter Businesstyp mit untergeklemmter Tasche durch die Wagentür federte, schnurstracks auf seinen Strafraum zuhielt und ihn sowie das halbe überfüllte Abteil in dynamisch-amtlichem Tonfall informierte: Er, der dynamische Businesstyp, habe irgendwie seine Onlinebuchung geändert, dann aber nach der Umbuchung das Ticket nicht ausgedruckt und habe jetzt neben keinem Fahrausweis auch keine Sitzreservierungsnummer parat. „Die Frage ist nur“, schob er seiner präzisen Schilderung hochdynamisch hinterher: „Wie lösen wir das Ganze?“ Dem unfreiwilligen Ohrenzeugen, so zum Problemlösungsstrategienbrainstorm quasi mit eingeladen, drängte sich die Anmerkung auf, „die Frage“ sei ja wohl nicht „nur“, wie „das Ganze“ (also: das hochstilisierte Popelproblemchen) jetzt zu „lösen“ sei. Sondern zum Beispiel auch, warum er, der Dynamische, sein bescheuertes Ticket nicht einfach ausgedruckt hat. Der Schaffner aber parierte routiniert und murmelte irgendwas Pragmatisches. Seitdem sitzt der Businesstyp auf dem unreservierten Platz schräg neben mir und glotzt seit anderthalb Stunden auf seinem Laptop „Ultimate Fighting“-Videos. Fleischige Männer dreschen aufeinander ein, es wird mit Haken und Ösen gekämpft … Da fällt mir ein: Wie steht’s denn im Reichstag?

Im Radio sagt Horst Seehofer, die Hotelbesitzer würden „die Welt nicht mehr verstehen“, wenn jetzt die Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen wieder zurückgenommen würde; na gut, dann verstehen halt weiterhin wir Nichthotelbesitzer die Welt nicht mehr. Aber über die Wahl gibt’s noch nichts Neues. Ja, das kann dauern, bis so eine Bundesversammlung zusammengetreten ist, Schritt für Schritt. Ich muss Schluss machen und verbleibe mit der versöhnlichen Feststellung, dass alle drei KandidatInnen erhobenen Hauptes aus der Abstimmung hervorgehen dürfen. Oder wie der Stürmer Róbert Vittek nach dem Ausscheiden der Slowaken – 2:1 gegen Holland – am Montag meinte: „Wir können mit großer Brust nach Hause fahren.“ Schöner Gedanke, aber wir wissen ja: Wenn hier jemand mit großer Brust nach Hause fährt, dann ist das Dolly Parton.