Ist es zu laut, bist du zu schwach

FUCKING FUN Nick Oliveri gibt mit der Band Mondo Generator mal wieder keinen Scheiß bei seinem Konzert in der Diamond Lounge

Es geht um das ewige Drogennehmen und Ausflippen – hört man ja immer wieder gerne

An jenem Freitag um 4.15 Uhr ist etwas passiert. Etwas, das es wert ist, es als Tattoo sein Leben lang mit sich herumzutragen und, zeigefreudig wie Nick Oliveri ist, auch noch jedem Sehenden aufzudrängen. „Freitag, 4.15 Uhr“ steht in altdeutscher Schrift auf der rechten Seite von Oliveris Brust, die er beim Mondo-Generator-Konzert durchgehend blank zieht: Bereits vor dem Gig, als noch Punk-Hardrock-Vorbands (eine deutsche, eine australische) blechern ihr Bestes versuchen, läuft er barbusig durch die schummerige, gemütlich abgerockte Diamond Lounge, als ob das Merkmal Glatze und Kinn-Spitzbart nicht ausreichen würde.

Seit Jahren trägt Oliveri diesen Putz, und seit Jahren zieht er sich gern in der Öffentlichkeit aus. Oliveri doesn‘t give a shit, das ist sicher, der ehemalige Kyuss-, und Queens-of-the-Stone-Age-Bassist und damit für StonerrockfreundInnen nach Josh Homme zweitwichtigste Musiker auf Erden gibt auf nicht viel einen Shit, außer auf Musik in guter Gesellschaft natürlich.

„We’re gonna have some fucking fun“, beginnt er die Show, wie aus seinem Mund ohnehin kaum Sätze ohne Beep-Wörter fließen, die Songtexte selbst vielleicht ausgenommen, nur sind die wie üblich schwer zu verstehen: Oliveri, im Gegensatz zu Homme, hat sich stets mehr schreiend als singend geäußert. Das ist ein anderes seiner Markenzeichen.

Auch bei der neuen Tour, auf der er von den australischen Musikern der Vorband Hy-Test begleitet wird, kriegt man nur ungefähr mit, dass es wieder um die alten Lieblingsthemen Drogen, Spaß und Irresein geht. Das erste, 1997 erschienene Mondo-Generator-Album, damals noch in Zusammenarbeit mit dem Ex-Bestem Freund Homme, hieß „Cocaine Rodeo“, das zweite „A drug problem that never existed“, „Time to Destroy“ heißt das aktuelle: Oliveri hat sein Themengebiet klar umrissen. Genauso ist auch das Konzert. Man schwitzt, man schreit, man beschwört sein Testosteron, und ist das zu laut, bist du zu schwach.

Der fantastisch und beiläufig gespielte Bass mit dem albernen Metal-V-Kopf klingt tief, voll und spitze, das Schlagzeug auch. Und Pose vorwerfen kann man einem gelebten Rockklischee wie Oliveri ohnehin nicht: Der Bassgitarrengurt verdeckt zwar einige der Tattoos, doch unter dem Bauchnabel, der sich – Oliveri ist auch schon stolze 39 Jahre alt – neuerdings ein kleines bisschen mehr in Richtung des Publikums ausrichtet, steht „Loose Nut“, was nicht nur der Titel eines Black-Flag-Albums ist, sondern auch im Zusammenhang mit „eine Schraube locker haben“ benutzt wird. Oliveri ist authentisch in seiner In-your-face-Punk-Attitude, und das guckt man sich, vor allem wenn es bei einem selbst nicht mehr so richtig geht mit dem ewigen Drogennehmen und Ausflippen, stellvertretend immer wieder gern an.

Live sind die Stücke am schönsten, bei denen Oliveri sich mehr auf den melodiöseren Stonerrock als auf die Punk- und Hardrockseite in ihm besinnt, und sein Geschrei mehrstimmig von den Australiern unterstützt wird, das sind vor allem die älteren Sachen.

Und das, was an jenem Freitag passierte, den sich Oliveri in die Haut geritzt hat, war übrigens – was sonst – ein musikalisches Erlebnis: Queens of the Stone Age spielten 2001 bei Rock am Ring, und zwar, laut Oliveri, Homme und Screaming-Trees-Frontmann Mark Lanegan, der bei dieser Tour dabei war, das schlechteste Konzert ihres Lebens. Alle drei ließen sich daraufhin diesen Tiefpunkt ihrer Livekarriere in die Brust tätowieren, eine alberne Sache, wenn man bedenkt, wie viele Tiefpunkte noch folgen können, aber konsequent. „Donnerstag, 23 Uhr“ muss jedenfalls nach diesem Konzert glücklicherweise nicht darunter gepiekst werden. JENNI ZYLKA