Podolski killt Nada Surf

WM und Festivals: Der Arctic-Monkeys-Sänger in Bayer-Leverkusen-Shorts – wo kommt so was her?

VON THEES UHLMANN

Die von mir gar nicht so unglaublich geschätzte Band The Hives lieferte auf dem Hurricane-Festival einen wirklich schönen, spitzenmäßigen Rock-Action-Auftritt ab, an dessen Ende, etwa zwei Stunden nach Ende des Deutschland–Schweden-Spiels, der Sänger „Howlin“ Pelle Almqvist auf der Bühne stand und Gospelstyle das Publikum besprach: „Let it be known that the House of Hives get four out of four Stars!“ – „Let it be known that you have offically been hived! – „Let it be known that the Swedes have won! Let it be known that the Swedes have won!“

Das ist wirklich eine gute Art, sich seine eigene Realität zu bauen. Das gefällt mir. Die Dinge einfach so drehen, wie sie einem am besten passen! Das Schöne war, dass das Publikum das auch so sah. Frei von Häme und frei von einem unfreundlichen „Ihr könnt nach Hause fahren!“

Außerdem muss noch gesagt werden, dass alle von den Hives so unglaublich reine Haut haben. Entweder haben sie zu Hause eine Farm, auf der achtjährigen Jungs einmal im Jahr die Haut vom Gesicht geschält wird, um sie dann den Hives aufzuziehen. Oder sie leben einfach 100 Kilometer entfernt vom nächsten Autoauspuff oder Schornsteinschlot! Depressionen bekommt man, wenn man so was sieht!

Des Weiteren hatte die Band Nada Surf mit ganz anderen Problemen zu kämpfen! Ihr Auftritt war zeitgleich mit der Podolski-Gala angesetzt. Die Veranstaltungsfirma Scorpio hatte auf dem Zeltplatz ein Areal eingerichtet, auf dem 10.000 Menschen Fußball hätten gucken können. Es wollten aber 20.000 Menschen Deutschland–Schweden gucken! Der Andrang war so stark, dass die Polizei dazu gezwungen war, den Zeltplatz zu sperren, den Auftritt von Nada Surf zu canceln und das Spiel auf den beiden Videowänden links und rechts der Bühne zu zeigen.

Nada Surf konnte dann in der Halbzeitpause drei Songs spielen, aber man kann sich den Grad der Frustration nur vorstellen, wenn man über den großen Teich fliegt, Baseball- oder Basketball-Liebhaber ist und sich den fußballgeilen Massen beugen muss. Besonders dramatisch wurde es dadurch, dass am Ende 10.000 Leute vor der Bühne standen, die die Polizei zum Fußballschauen geschickt hatte – und weitere 10.000, die eigentlich Nada Surf gucken wollten!

Was soll man da machen? Das ist wie ein Patt zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski! Zum Glück ist nichts passiert!

Mando Diao hatten extra für die WM-Saison als Merchandise-Artikel ein T-Shirt rausgebracht, das einem Schweden-Trikot ähnelte. Ich kaufte es mir aber nicht, weil vorne drauf gekreuzte Pistolen abgebildet sind. Die sind ähnlich out wie Totenköpfe, die mit Pailletten beklebt sind.

Man kann generell sagen, dass alles out ist, was Victoria Beckham trägt. Man muss allerdings auch sagen, dass sich ihr Mann zur WM äußerst schnuckelig zurecht gemacht hat!

Der peinlichste öffentliche Vertreter meines Lieblingsvereins heißt Elton und lief auf dem Hurricane-Festival mit einem T-Shirt rum, auf dem in Bild-Zeitungsschrift „Titten“ stand! So was trägt man dann doch wirklich wohl nur, wenn man lange keine mehr außerhalb von Zeitungen oder Leih-DVDs gesehen hat. Oder man komplett enthirnt ist. Beides zusammen geht natürlich auch!

Das Abstruseste in Sachen Fußball und Festival passierte allerdings erst zwei Tage später auf dem Southside-Festival. Die Arctic Monkeys sind die Band der Stunde, die Band, die zweifelsohne das Generationen-Album unserer Zeit geschrieben hat. Und deren Sänger Alex Turner trug vor dem Konzert Shorts mit dem Emblem des manchmal zu Unrecht unbeliebtesten Clubs der Bundesliga: Bayer Leverkusen.

Wo kommt so was her? Wie kommt so was zustande? Stundenlang könnte ich über so etwas nachdenken! Ich glaube, das ist so, als ob ich auf dem Glastonbury-Festival mit einem Heart-of-Midlothian-Trikot rumlaufen würde. Schade: Die Wahrscheinlichkeit, dass das klappt, liegt leider nur bei zwei Prozent! Hoffnung stirbt zuletzt, ne? Allen eine schöne Rest-WM!

THEES UHLMANN ist Sänger der Band Tomte („Buchstaben über der Stadt“) und mit dem Label Grand Hotel sein eigener Chef. Nächste Festivals: Forestglade, St. Gallen (beide ab 30. Juni)