Schwergewichtskampf unter Künstlern

HALBFINALE Die Niederlande befördern Brasilien mit 2:1 aus dem Turnier und sich selbst zum Topfavoriten

VON THOMAS WINKLER

Was für ein mitreißendes Spiel. Das bislang beste dieser WM. Und mit einem überraschenden, aber schließlich verdienten Sieger. Doch danach sah es zuerst gar nicht aus: Aber die Niederländer, phasenweise an die Wand gespielt, kamen zurück wie ein angeschlagener Boxer und besiegten Brasilien mit 2:1. Nach diesem vorgezogenen Finale, das sogar mehr hielt, als es versprochen hatte, ist Holland nun ernsthafter Titelfavorit.

Im Nelson-Mandela-Bay-Stadion in Port Elizabeth entwickelte sich vor 40.000 Zuschauern mit dem Anpfiff ein überraschend offensiv geführtes Spiel. Vor allem der brasilianische Trainer Carlos Dunga schien seine zahllosen Kritiker in der Heimat verblüffen zu wollen und beorderte seine Mannschaft – im Gegensatz zu den bisherigen Auftritten bei dieser WM – entschieden nach vorne. Diese von Brasilien noch nicht gesehene Taktik trug frühe Früchte: Ein erstes Tor wurde Robinho wegen Abseits zwar noch zu Recht aberkannt (8. Minute), aber kurz darauf verwandelte der Stürmer vom FC Santos, erschütternd alleingelassen von der niederländischen Verteidigung, einen Traumpass von Felipe Melo trocken von der Strafraumgrenze (10.). Die holländische Defensive wirkte so überrumpelt wie die Dunga-Beckmesser. So häuften sich die Chancen für Brasilien. Die sichtlich geschockten Niederländer wankten – aber sie fielen nicht.

Nach wehrten sich die Holländer wie ein angeschlagener Boxer. Und sie brauchten einen Lucky Punch, um zum 1:1 zu kommen: Der vorgeblich beste Keeper der Welt, Julio Cesar, faustete an einer hohen Hereingabe von Sneijder vorbei, und Felipe Melo rutschte der Ball zum Eigentor über den Scheitel (53.).

Dieser Ausgleich beförderte das Spiel zum hin und her wogenden Spektakel mit Torgelegenheiten nahezu im Minutentakt: Sneijder war es, der die Niederlande in Führung brachte, als er eine Ecke von Robben zum 2:1 einnickte (68.). Als Felipe Melo wegen einer Tätlichkeit gegen Robben vom japanischen Spielleiter Yuichi Nishimura Rot gezeigt bekam (73.), war das Spiel aber immer noch nicht entschieden. Die sich verzweifelt gegen die Sensation stemmenden Brasilianer erzwangen zu zehnt Chancen, während sich den Niederländern beste Kontergelegenheiten eröffneten. Doch es blieb beim 2:1, die Sieger feierten tüchtig. Ausgerechnet Mark van Bommel glaubte hinterher, „kein schönes Spiel“ gesehen zu haben – er war der Einzige im Stadion.