Häufige Rochaden

FRATERNITÉ Ein Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft ist in Frankreich gang und gäbe

PARIS taz | Fast die gesamte Führung in der staatlichen und privaten Wirtschaft, Politik und Administration hat in Frankreich dieselben vier oder fünf Eliteschulen absolviert. Am einflussreichsten ist die Nationale Verwaltungshochschule Ena, die als Kaderschmiede schlechthin gilt. Über Meinungsunterschiede und Interessengegensätze hinweg haben Ena-Absolventen einen gemeinsamen Nenner, der ihnen häufige Rochaden zwischen verschiedenen Funktionen und Ämtern je nach wechselnden Regierungen oder Umständen erleichtert.

Dass ein Regierungsberater an die Spitze eines staatlich kontrollierten Konzerns wechselt, ist traditionell keine Ausnahme, sondern Normalfall. Klassisches Beispiel dafür ist Ena-Abgänger Louis Schweitzer, der nach verschiedenen Posten als Berater von Ministern und des Regierungschefs 1992 Boss des damals noch staatlichen Autokonzerns Renault wurde, um danach wieder Vorsitzender der staatlichen Kommission gegen Diskriminierungen sowie Verfasser eines Weißbuchs zu Frankreichs Außenpolitik zu werden. Eine ähnliches Hin und Her zwischen Ministerien und Wirtschaft hat auch der einstige EADS-Chef und Vorsitzende der staatlichen Bahn SNCF, Louis Gallois, hinter sich.

Nur selten geben diese Kreuzkarrieren Anlass zu Protest. Nach der Bettencourt/Woerth-Affäre – Haushaltsminister Eric Woerth hat seiner Gattin einen Posten als Vermögensberaterin bei der L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt verschafft und von dieser Wahlspenden erhalten – und anderen Skandalen sah sich aber der damalige Präsident Nicolas Sarkozy gezwungen, eine Kommission zu schaffen, die sich im Fall von Wechseln zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft zum Risiko von Interessenkonflikten äußern muss.

RUDOLF BALMER