ABSTIMMUNG: ITALIENS WÄHLER VERWEIGERN RUNDERNEUERUNG
: Arm/reich wichtiger als links/rechts

Wie gerne wäre Silvio Berlusconi in die Geschichtsbücher eingegangen als „Vater des Vaterlands“, als Schöpfer nicht bloß eines erfolgreichen Medienkonzerns, sondern auch einer runderneuerten Verfassungsordnung Italiens. Daraus wird nun nichts. Mit einem erstaunlich deutlichen Resultat haben die Italiener beim Referendum am Sonntag und Montag die neue Verfassung zu Altpapier gemacht und waren damit ihrem gerade gewählten Ministerpräsidenten Romano Prodi treu geblieben, der von der Reform nichts wissen wollte.

Was aber wäre eigentlich gewesen, wenn die Italiener unter einem bei den Parlamentswahlen vom April erfolgreichen Ministerpräsidenten Berlusconi an die Urnen gegangen wären? Hätten sie dann andersrum gestimmt? Schließlich war das Votum allzu deutlich eine Konfrontation zwischen rechts und links: Beide Blöcke mobilisierten mit einer sonst fast nie zu sehenden Geschlossenheit, die Rechte für das Sì, die Linke für das No.

Dennoch sind Zweifel erlaubt, ob die rechte Verfassungsreform je eine Chance gehabt hätte. Gewiss, im Norden hätte ein erfolgreicher Berlusconi das Resultat wohl drehen können, von der knappen Niederlage in einen womöglich gar deutlichen Sieg. Doch die Diskrepanz der Resultate zwischen dem Norden einerseits, dem Süden andererseits verrät: Neben der Rechts-links- spielte die Nord-Süd-Spaltung beim Verfassungsreferendum eine entscheidende Rolle. Auch die rechten Wähler des Südens hatten Angst vor dem unsolidarischen Föderalismus, der mit der neuen Verfassung Einzug gehalten hätte – und stolze 70 Prozent der Süditaliener votierten mit Nein.

Berlusconi hat nun Zeit, um über seine enge Partnerschaft mit der Lega Nord nachzudenken, der allein daran gelegen war, die Interessen der reichen Regionen des Nordens zu vertreten. Vor allem aber wird Berlusconi wohl die Angriffe aus dem eignen Lager auf die Reste seiner Führungsrolle abwehren müssen. Das schafft Romano Prodi erst mal Luft. Und die braucht er auch: Schon in den nächsten Wochen steht seine Koalition bei der Verabschiedung eines milliardenschweren Nachtragshaushalts vor ihrer ersten wirklichen Belastungsprobe. MICHAEL BRAUN