Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Eigentlich hatte Anna May Wong, Hollywoods einziger Glamourstar chinesischer Herkunft, die amerikanische Filmmetropole 1928 verlassen, um in Europa Rollen zu finden, in denen sie einmal jenseits der üblichen, von rassistischen Vorurteilen geprägten Madame-Butterfly-Varianten würde reüssieren können. Doch auch in Europa setzte man in den Filmen der schönen Wong, die fließend Französisch und Deutsch sprach, überwiegend auf Exotik. Insbesondere natürlich der deutsche Regisseur Richard Eichberg, dessen Genrekino das Melodramatisch-Abenteuerliche und Triviale stets fest im Blick hatte. Und so spielt Wong im schönen Melodram „Song“ (1928) denn auch einmal mehr eine Tänzerin im Hafenmilieu, die sich unglücklich in einen Matrosen verliebt und schließlich ums Leben kommt. An ihrer Seite schafft sich einmal mehr der überlebensgroße Heinrich George so richtig hinein in Leidenschaft und Eifersucht. (Engl. ZT, 14. 1., Babylon Mitte)

In den 1960er Jahren wandte sich der dänische Architekt Jan Gehl vom vermeintlichen Fortschritt der Autobahnen und Hochhäuser ab, um sich stattdessen damit zu beschäftigen, wie man öffentlichen Raum für die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen zurückgewinnen und nutzen kann. Die Dokumentation „The Human Scale“ von Andreas M. Dalsgaard zeigt anhand von weltweiten Projekten, an denen Gehls Büro beteiligt ist und war, dass diese Veränderungen durchaus möglich sind: Fahrradwege am New Yorker Times Square, Läden und Cafés in kleinen Gassen der Innenstadt Melbournes, wo einst nur Mülltonnen standen, Fußgängervorrang in der chinesischen Metropole Chongquing. Gibt man den Menschen Raum, füllen sie ihn mit genau jenen Aktivitäten, die das Leben lebenswert machen. Dass diese Ideen aber oft genug im Widerspruch zu massiven wirtschaftlichen Interessen stehen, macht der kluge Film ebenso deutlich. (OmU, 11. 1., Babylon Kreuzberg A)

Der Antagonismus der legendären Rennfahrer Niki Lauda und James Hunt und die Dramatik ihres Kampf um die Formel-1-Weltmeisterschaft im Jahr 1976 (mit Laudas furchtbarem Unfall auf dem Nürburgring) beruhen auf Tatsachen – insofern lag die Dramaturgie von „Rush – Alles für den Sieg“ für Regisseur Ron Howard auf der Hand. Wie es dem Filmemacher allerdings gelingt, dem Zuschauer mit dem barschen Perfektionisten Lauda (Daniel Brühl) und dem lockeren Playboy Hunt (Chris Hemsworth) zwei anfangs nicht einmal sonderlich sympathische Protagonisten langsam ans Herz wachsen zu lassen, ist ein schönes Beispiel für ein exzellent gespieltes Charakterdrama, das sorgsam die Ästhetik der mittleren 1970er Jahre rekonstruiert, ohne sich darin zu verlieren. (OmU, 10. + 12. 1., Rollberg 3)