Vier Tage Ferienkommunismus

Zum zehnten Mal findet auf dem Flugplatz Lärz das Fusion-Festival statt. Über 3.000 AktivistInnen und 20.000 BesucherInnen lassen für vier Tage eine Parallelgesellschaft fernab von Zwängen und Kontrollen entstehen

Do., 29. 6. – Fr., 2. 7., Flugplatz Lärz; www.fusion-festival.de

Um der allgegenwärtigen Fußball-WM und dem nicht zuletzt damit zusammenhängenden Sommerloch in Sachen Kulturveranstaltungen in dieser Stadt zu entkommen, bietet sich diese Woche endgültig die Flucht nach vorn an. 20.000 Menschen – zu großen Teilen aus dieser Stadt – werden sich denn auch vom Donnerstag bis zum Sonntag auf den Weg heraus aus hanseatischen Gefilden in Richtung des idyllischen Flugplatzes Lärz am Müritzsee in Mecklenburg machen, um auf dem 1993 von der Sowjetarmee verlassenen Militärflughafen zum zehnten Mal das „größte Ferienlager der Republik“ entstehen zu lassen: das Fusion-Festival.

Über 500 KünstlerInnen werden dort zwölf ehemalige Flugzeughangars und etliche Freibühnen für vier Tage dem Motto „Ferienkommunismus“ folgend in eine unkommerzielle, umweltschonende, Schnaps-, Fleisch- und Energy-Drink-freie Parallelgesellschaft ohne unnötige Zwänge und Kontrollen verwandeln. Auch wenn durchaus bekannte Acts wie „Die Goldenen Zitronen“ oder Jan Delay zu sehen sein werden, verzichtet „die Fusion“ dabei explizit auf Headliner. Stattdessen setzt man auf ein weites Feld verschiedenster kultureller Darbietungen. Einen Großteil des Programms nehmen auch dieses Jahr die verschiedensten Facetten elektronischer Tanzmusik ein – Bekannte wie Unbekannte bieten House ebenso wie Techno, Drum&Bass, Breakbeats, Dub, Dancehall, Trance und Goa. Dazu kommen etliche Hip-Hop, Rock, Ska und Reggae-Acts. Aber auch FreundInnen von Klezmer, argentinischem oder finnischem Tango werden ihr Glück finden, wenn sie nicht gerade von einem der zahlreichen Theater, Kino und Hörspiel-Programme gebannt sind.

Es ist jedoch nicht das abwechslungsreiche Programm allein, das die Errichtung einer temporären ferienkommunistischen Zone möglich macht. Die „Fusion“ wäre nichts ohne die über 3.000 AktivistInnen, die zum Teil seit Wochen am Aufbau und der Durchführung des Festivals beteiligt sind – Gruppen und Einzelmenschen, die sich im Alltag mit Subkultur, linker Politik, Jugendarbeit oder Kunst beschäftigen und auf dem Festival jeweils einen weitgehend autarken Aufgabenbereich übernehmen. Jedes gekaufte Getränk unterstützt so eine kulturelle Initiative oder ein linkes politisches Projekt. Es ist diese netzwerkartige Struktur, die dem Festival seinen einzigartigen Charakter gibt und den „Kulturkosmos Müritzsee“ in einen kollektiven Ausnahmezustand versetzt.

ROBERT MATTHIES