Das Alltagsgesicht der Sozialdemokratie

SPD Sigmar Gabriel wollte eine Frau als Generalsekretärin. Nun wird es Yasmin Fahimi. Die Gewerkschafterin ist kaum vernetzt

Fahimi: die Schnittmenge aus Strömung, Geschlecht und regionaler Herkunft

VON ANJA MAIER

BERLIN taz | Am Mittwochmorgen wurde es offiziell. Der SPD-Parteivorstand verschickte eine Presseerklärung, laut der die Gewerkschafterin Yasmin Fahimi für das Amt der Generalsekretärin nominiert ist. Vorgeschlagen hatte die 46-Jährige Parteichef Sigmar Gabriel. Neuer Schatzmeister soll der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Dietmar Nietan werden. Die Neubesetzungen waren nötig, weil die bisherige Generalsekretärin Andrea Nahles Arbeitsministerin wurde und Schatzmeisterin Barbara Hendricks das Umweltressort übernahm.

Zwar betont der Parteivorstand in seiner Presseerklärung: „Yasmin Fahimi ist eine hervorragende Wahl.“ Doch so ganz sicher kann man da nicht sein. Der Gewerkschafterin aus Hannover fehlt bislang jede Verankerung im Parteiapparat. Zwar ist sie seit dreißig Jahren SPD-Mitglied, außerdem Mitglied im Vorstand des „Denkwerks Demokratie“, eines 2011 von Sozialdemokraten, Grünen und Gewerkschaftern gegründeten Thinktank. Auch ihre Arbeit in der Grundsatz-Abteilung der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) ist sicher hilfreich für ihre neue Aufgabe. Trotzdem entsteht der Eindruck, dass die weitgehend unbekannte Yasmin Fahimi lediglich die personifizierte Schnittmenge aus Strömung, Geschlecht und regionaler Herkunft darstellt.

Fast schon eine Ironie ist, dass das Amt des Schatzmeisters künftig mit einem Mann besetzt wird. Bei der Vorstellung der SPD-Minister Mitte Dezember hatte Parteichef Gabriel noch erklärt, der von ihm eigentlich favorisierte SPD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, könne nun doch nicht Generalsekretär werden, die „Alltagsgesichter“ der SPD müssten weiblicher werden, weshalb man nach einer geeigneten Frau suche. Das Ergebnis dieser Suche ist nun, dass die zwei Frauen Nahles und Hendricks durch einen Mann und eine Frau ersetzt werden.

Ralf Stegner, der wegen seines Geschlechts nicht Generalsekretär werden durfte, sagte der taz, er sei „damit im Reinen“. „Ich werde Yasmin Fahimi unterstützen – wie sich das gehört.“ Zudem freue er sich auf das eigens für ihn geschaffene Amt eines zusätzlichen stellvertretenden Parteivorsitzenden. Das werde er „gut nutzen“.

Die Grüne Steffi Lemke kennt die künftige Generalsekretärin aus der gemeinsamen Arbeit im „Denkwerk Demokratie“. Fahimi sei „eine starke, durchsetzungsfähige Frau“, sagt sie. Beim Denkwerk habe sie sich „immer bemüht, vom Standpunkt der IG BCE aus die politischen Diskurse von Umwelt, Wirtschaft und Gerechtigkeit zusammenzuführen“. Lemke gibt sich gespannt auf Fahimis Bewerbungsrede beim SPD-Parteitag Ende Januar in Berlin. „Man wird sie daran messen, was sie in den nächsten Wochen bewegt.“

Als Generalsekretärin liegen vor Fahimi schwierige Aufgaben. Sie muss ihre oft uneinige Mannschaft im Berliner Willy-Brandt-Haus versöhnen. Sie muss die schwächelnden Landesverbände stärken sowie die seit dem SPD-Mitgliederentscheid so beliebte Beteiligung der Genossinnen und Genossen ausbauen und vertiefen. Außerdem muss sie das unverwechselbare Gesicht der Bundes-SPD werden – also den Mut haben, auch mal quer zur Regierungspolitik liegende Positionen einzunehmen und zu verteidigen. Eine schwierige Gratwanderung, schließlich ist ihr Parteivorsitzender mittlerweile Vizekanzler.

Schatzmeister Dietmar Nietans Aufgabe wird es sein, die Finanzen der Partei zusammenzuhalten. Zwar ist die SPD mit 475.000 Mitgliedern wieder größte Volkspartei, doch der aufwendige Wahlkampf und der anschließende Mitgliederentscheid sind in die Millionen gegangen. Zusätzlich soll Nietan künftig den Unternehmensbereich der Sozialdemokraten managen.

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