90 Minuten mit … Pedro da Costa

Für den alten Fußballer spielen seine Brasilianer zu taktisch – aber er tanzt trotzdem

Am Rande einer brasilianischen Sambatruppe sitzt ein schmaler, älterer Herr mit grauen Haaren und von der Sonne faltiger Haut auf einer Bank und schaut auf die Leinwand. Es ist Pedro da Costa, Fußballfanatiker kennen ihn vielleicht unter dem Namen Pedrão. Er kommt aus Potigua im Nordwesten Brasiliens. Früher hat er in der ersten brasilianischen Liga gekickt und in der Landesauswahl Nordwest. Zum Nationalspieler hat es nicht gereicht, aber er nennt Spieler wie Garrincha, Zagallo und Pelé seine „Bekannten“. Er erzählt Geschichten von Mario Zagallo, der für das erste Tor bei der WM 58 einen VW Käfer bekam, und von Garrincha, der nach seiner Karriere Alkoholprobleme hatte.

 Pedrão ist zum ersten Mal in Deutschland. Er hat all sein Geld zusammengespart, um in Berlin seinen Sohn zu besuchen, der seit 16 Jahren hier lebt. Und er will näher dran sein, wenn Brasilien zum sechsten Mal Weltmeister wird. Davon ist Pedrão überzeugt.

 Als Ronaldo die frühe Führung für Brasilien erzielt, strahlt er, fängt aber gleichzeitig an auf Portugiesisch zu meckern. Er mag Ronaldo nicht. Der laufe zu wenig und sei kein Kämpfer. Pedro da Costa liebt den offensiven, attraktiven Fußball und ist der Meinung, dass früher viel schöner gespielt wurde als heute. Es gäbe heute nur noch Individualisten, das Spiel sei statisch und ohne Positionswechsel. Um zu verdeutlichen, wovon er spricht, malt er eine taktische Aufstellung auf ein Blatt Papier. Ein 2-4-3-1-System. Dazu erklärt er, wie sich die Spieler bewegen und ihre Positionen wechseln müssen. Zwischendurch guckt er immer wieder auf das Spiel. Ghana wird stärker und hat Chancen. Plötzlich zeigt er aufgeregt auf die Leinwand und versucht zu erklären, was Brasilien falsch macht. Es ist schwer zu verstehen. Kurz vor der Pause fällt das 2:0. Das animiert den 73-Jährigen dazu, im Takt der Sambatrommeln mitzuwippen. Beim ersten Spiel habe er schon getanzt, so wie es in Brasilien üblich ist. Heute sei es etwas ruhiger.

 Seine Lebensfreude ist dem freundlichen Brasilianer auch nicht abhanden gekommen, als sein Vorhaben, in seiner Heimatstadt ein Fußballteam mit Kindern aus den Favelas, den Armenvierteln, zu gründen, gescheitert ist. „Natürlich bin ich glücklich, wenn wir Weltmeister werden, aber Brasilien braucht andere Dinge dringender.“ Die Spieler seiner Mannschaft hatten teilweise nicht mal Schuhe.

 In der zweiten Halbzeit wird Pedrão böse. Er kommentiert fast jede Szene und beschwert sich darüber, dass Brasilien nur hinten steht, doch nach dem dritten Tor ist er schnell wieder versöhnt. Am Ende sagt er überraschend: „Wir haben heute schon ein gutes Spiel gemacht, aber wenn es ge- gen Deutschland gehen sollte, müssen wir noch besser werden.“

BASTIAN HENRICHS