Nachts, wenn die Kontrolle kommt

GEFAHRENGEBIET Hamburger Polizei reduziert die Kontrollzonen auf St. Pauli, im Schanzenviertel und in Altona räumlich und zeitlich. SPD-Bürgermeister Olaf Scholz verteidigt die repressive Maßnahme, während Teile der Opposition sie im Parlament kippen wollen

Das am 3. Januar verfügte Gefahrengebiet in Hamburg war das größte seiner Art in Deutschland.

Rechtsgrundlage: Seit 2005 dürfen solche Gebiete eingerichtet und dort alle Bürger verdachtsunabhängig kontrolliert werden.

■ Befugnis: Im Gesetzestext heißt es: „Die Polizei darf im öffentlichen Raum in einem bestimmten Gebiet Personen kurzfristig anhalten, befragen, ihre Identität feststellen und mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen, soweit auf Grund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass in diesem Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden und die Maßnahme zur Verhütung der Straftaten erforderlich ist.“

VON SVEN-MICHAEL VEIT

In weiten Teilen Hamburgs können BürgerInnen sich wieder unbehelligt auf die Straße wagen: Die Polizei hat am gestrigen Donnerstag das vor einer Woche verhängte großflächige Gefahrengebiet in etwa halbiert. Verdachtsunabhängige Kontrollen unbescholtener Menschen dürfen jetzt nur noch im Umfeld der drei Polizeikommissariate 15, 16 und 21 im Schanzenviertel, auf St. Pauli und in Altona-Altstadt stattfinden. Und das auch nur noch zwischen 18 und 6 Uhr.

Allerdings sind auch die neuen Grenzen großzügig geschnitten: Das gesamte Schulterblatt um die Rote Flora sowie fast die ganze Reeperbahn rund um den zentralen Spielbudenplatz stehen weiterhin unter verschärfter Kontrolle. Die Polizei werde auch im ehemaligen Gefahrengebiet „verschärfte Präsenzmaßnahmen fortsetzen“ und die Lage „kontinuierlich bewerten“, wurde am Donnerstagnachmittag angekündigt.

Das Gefahrengebiet war als Reaktion auf schwere Krawalle in den vergangenen drei Wochen eingerichtet worden. Mit seiner Hilfe sei es gelungen, schwere Straftaten zu unterbinden, teilte die Polizei mit. Bei Kontrollen wurden demnach Feuerwerkskörper, Schlagwerkzeuge und Vermummungsgegenstände sichergestellt. Mehr als 800 Menschen waren überprüft worden, etwa 190 Aufenthaltsverbote ausgesprochen und 13 Platzverweise erteilt. Zudem wurden fünf Menschen vorläufig festgenommen, 65 kamen in Gewahrsam.

Zuletzt war es in den Nächten zu Mittwoch und Donnerstag zu mehreren spontanen Aufzügen gekommen. An die 1.000 Menschen aus dem linken Spektrum demonstrierten jeweils gegen das Gefahrengebiet. Ein Passant sei von einem Stein getroffen worden, ein weiterer Stein sei gegen ein Fahrzeug der Polizei geflogen, zudem gab es vereinzelte Böllerwürfe. Auch hier nahm die Polizei 17 Personen in Gewahrsam.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz hatte die Einrichtung des Gefahrengebietes noch am Donnerstag verteidigt. „Ich halte die Entscheidung der Polizei für richtig“, sagte er der Bild-Zeitung. Der Staat müsse für die Sicherheit der Bürger sorgen. Die Notwendigkeit der Maßnahme werde aber täglich überprüft, sie könne beschränkt oder aufgehoben werden. Grüne, FDP und Linke hingegen haben das Vorgehen kritisiert und als „unverhältnismäßig“ bezeichnet.

Die Grünen wollen das Gefahrengebiet jetzt ganz kippen. In einem Antrag für die Bürgerschaftssitzung am 22. und 23. Januar fordern sie, die Verbotszone aufzuheben. „Für das von uns geforderte Bündnis gegen Gewalt ist die Errichtung des Gefahrengebietes kontraproduktiv“, erklärte der Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan. „Wir brauchen weder Sonderzonen noch martialische Töne.“ Nach Ansicht der Abgeordneten Antje Möller „fehlt auch für die drei neuen Gefahrengebiete die Begründung einer konkreten Bedrohungslage“. Das Thema bleibe für die Grünen aktuell.

Das Zurückrudern der Polizei sei „ein Erfolg des kreativen Protests in Hamburg und der vernichtenden Kritik aus dem ganzen Bundesgebiet“, glaubt die innenpolitische Sprecherin der Hamburger Linksfraktion, Christiane Schneider. „So eine exzessive und unkontrollierbare Maßnahme darf sich nie wiederholen.“

Auf eine Mehrheit in der Bürgerschaft dürfen die Kritiker allerdings kaum hoffen. Es ist damit zu rechnen, dass die allein regierende SPD sowie die CDU diesen Antrag mit breiter Mehrheit ablehnen werden.