die taz vor 16 jahren über argentinien vor dem viertelfinale und maradonas klumpfuß
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Wo ist der Klumpfuß? Weit und breit kein Klumpfuß zu sehen. Wahrscheinlich versteckt er sich wieder mal zwischen all den aufgeregten Leuten da drüben. Also nichts wie hin.

Radiohörer in Kolumbien und Argentinien können diese Szene live miterleben. Es sei gerade achtzehn Uhr soundsoviel und ein schöner Sonnentag, erzählt ein Reporter mit Feuer in der Stimme, und gleich würde Diego Maradona vor der internationalen Presse Rede und Antwort stehen. Also, Diego, wie geht es dir, was macht der Fuß, wirst du weiter so gefoult wie bisher?

Zuerst einmal wird nun der Klumpfuß von genau 19 Fernsehkameras gefilmt und von gut doppelt so vielen Fotografen im Bild festgehalten; so manches berufliche Drama nimmt seinen Lauf. Was nutzt das Bild des Klumps von hinten, weshalb einige schreien „Maradona, Maradona“, auf daß der Klump sich einmal kurz wende, was der aber nicht tut, sondern behauptet, wir alle seien „rechte Pfannkuchen“, nach dem schlechten Spiel gegen Kamerun habe sich kaum einer hier blicken lassen, aber wenn wir es schon wissen wollten: Der Klumpfuß sei keiner mehr, die Schwellung weg. Ist das keine Nachricht?!

Und dann sprudeln die Worte, deren Sinn sich kurz so zusammenfassen läßt: Alles bestens, die Chancen im Viertelfinale stehen pari-pari, Gott weiß Bescheid, was er zu tun hat, der sei bereits mehrfach angebetet worden. Schluß jetzt! Die unvorsichtigen Argentinier lassen Diego auf eigenen Füßen ins Haus gehen, beinahe wäre er über ein Stativ gestolpert; nicht auszudenken. Hier und da stehen noch andere Nationalspieler herum, aber die sind für die kleinen Lokalsender. Für Trainer Carlos Bilardo interessieren sich vier TV-Kameras, um nichts in der Welt will er uns seine Taktik verraten, dafür hält der gelehrte Mediziner einen längeren und grundsätzlichen Vortrag über das Prinzip des Liberos. Es hat keinen Sinn mehr, zurück ins Pressezentrum nach Rom.

Herr Thömmes, taz, 30. 6. 1990