Marktliberaler gegen Sozi

Mexiko entscheidet am Sonntag, ob der Rechte Felipe Calderón oder der moderat Linke Manuel López Obrador neuer Präsident wird. Umfragen sehen Kopf-an-Kopf-Rennen

MEXIKO-STADT taz ■ Es war sein letztes Bad in der Menge, bevor er am Sonntag zum mexikanischen Präsidenten gewählt werden will. Über 150.000 Menschen kamen am Mittwoch ins Zentrum von Mexiko-Stadt zur abschließenden Wahlveranstaltung des Kandidaten der Partei der Demokratischen Revolution (PRD), Andres Manuel López Obrador. Selbstbewusst stellte der Hoffnungsträger vieler mexikanischer Linker klar: „Ich werde gewinnen.“ Ebenso siegessicher gab sich der Kandidat der konservativ-liberalen Partei der Nationalen Aktion (PAN), Felipe Calderón. Er werde vier Prozent Stimmen mehr bekommen als sein Kontrahent, beschwor der überzeugte Katholik am Sonntag im randvollen Aztekenstadion in der mexikanischen Hauptstadt.

Die letzten Umfragen versprechen zwar eher López Obrador einen leichten Vorsprung. Doch auf jeden Fall werden sich die beiden Anwärter aufs oberste Staatsamt ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Fast chancenlos abgeschlagen auf Platz drei liegt Roberto Madrazo, der für die Partei der Institutionellen Revolution (PRI) kandidiert.

Sollte Calderón siegen, wird er die Politik des amtierenden Präsidenten Vicente Fox (PAN) fortsetzen. Fox versprach den „großen Wechsel“, als er im Jahr 2000 das Amt von der 71 Jahre lang regierenden PRI übernahm. Die staatliche Erdöl- und Elektrizitätsindustrie sollte privatisiert und der liberalisierte Handel intensiviert werden, fiskalische Reformen sollten Investoren anziehen. Daraus ist nicht viel geworden. Die parlamentarische Opposition blockierte Gesetzesinitiativen, und Bauernverbände mobilisierten gegen den Freihandelsvertrag mit den USA und Kanada (Nafta), weil hoch subventionierte US-Billigprodukte die Kleinbauern existenziell bedrohen. Und obwohl sich die Deviseneinahmen durch steigende Erdölpreise und zunehmende Überweisungen migrierter Mexikaner verdreifacht haben, ist die Wirtschaft nur um die Hälfte der versprochenen sieben Prozent gewachsen. Dennoch setzt Calderón vor allem auf private Investoren. „Investitionen sind der Schlüssel für wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen“, erklärt der ehemalige Energieminister.

Lopez Obrador hält dagegen: „Wir werden weder die Bildung noch die Sozialversicherung, die Elektrizitätsindustrie oder das Erdöl privatisieren.“ Der PRD-Politiker will die Kaufkraft stärken und Unternehmer steuerlich stärker in die Pflicht nehmen. Millionen bedürftige Familien sollen alimentiert werden, ebenso Behinderte, alleinerziehende Mütter und Alte. Bereits als Bürgermeister von Mexiko-Stadt hat er sich mit solchen Maßnahmen bei der armen Bevölkerung einen guten Namen gemacht. Im Falle eines Sieges werde er sofort ein Gremium mit Arbeitern, Bauern, Indígenas, Vertretern der Zivilgesellschaft und Unternehmern bilden, um die nächsten Schritte zu planen.

„Wir werden keine ökonomische Krise provozieren“, erklärt López Obrador mit Blick auf die Unsicherheit, die er in manchen Unternehmerkreisen hervorruft. Tatsächlich hat er als Hauptstadt-Bürgermeister eng mit dem Multimilliardär Carlos Slim zusammengearbeitet, und auch in der Washingtoner Regierung steht er nicht schlecht im Kurs. Zwar bevorzuge man Calderón, aber im Gegensatz zum linkspopulistischen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez sei López Obrador ein „moderater Linker“, der vor allem an der makroökonomischen Stabilität Mexikos interessiert sei, heißt es in einer letzte Woche veröffentlichten Studie des US-amerikanischen Institutes Council on Foreign Relations.

Rund 90 Prozent aller mexikanischen Exporte gehen auf die andere Seite des Rio Grande, und von den Überweisungen der über 20 Millionen in die USA migrierter Mexikaner leben tausende von Dörfern. „Wir können uns den Luxus gar nicht leisten, mit Washington auf schlechtem Fuß zu stehen“, sagt Professor Fernando Escalante vom renommierten Colegio de México. Entsprechend zurückhaltend ist López Obrador. Er will beispielsweise nicht, wie einige Bauernverbände fordern, den Nafta-Vertrag in Frage stellen. Lediglich die Zollabbaufristen von Mais und Bohnen sollen neu verhandelt werden. WOLF-DIETER VOGEL