JÜRGEN HILLEBRAND, INGENIEUR IM RUHESTAND
: Der getäuschte Anleger

■ der zweifache Vater lebt mit seiner Frau in Varel. Für den ehemaligen TÜV-Sachverständigen ist es die erste Klage. Foto: dpa

Jürgen Hillebrand hatte sich auf den Rat eines Finanzfachmanns verlassen. Nachdem er 40.000 Euro mit Zertifikaten der Pleite-Bank Lehman Brothers verloren hat, weiß er es besser. Er zieht gegen eine Ratingagentur vor Gericht, die den Papieren hohe Bonität bescheinigt hatte.

Hillebrand hat als TÜV-Sachverständiger gearbeitet. Der Rat von Experten hat für ihn Gewicht. Deshalb hörte er 2007 auf seinen Bankberater und kaufte für 10.000 Euro Lehman-Zertifikate. Die New Yorker Ratingagentur Standard & Poor’s hatte die Papiere mit „A+“ sehr gut bewertet. 2008 kaufte er weitere Papiere für 30.000 Euro zur Altersvorsorge. Der Berater der Citibank sprach von einer sicheren Rendite, aber nicht davon, dass das Geld auch verloren gehen könnte. Am 15. September 2008 sah Hillebrand im Fernsehen, wie die Angestellten von Lehman Brothers ihre Schreibtische räumten. Die Bank war pleite, Hillebrands Geld futsch.

Die Hauptschuld dafür sieht er bei der Ratingagentur. Ohne deren übertrieben positive Einschätzung wären die Papiere unverkäuflich gewesen. Deshalb beauftragte er seinen Anwalt, Klage gegen Standard & Poor’s einzureichen. Dabei geht es ihm nicht nur um das verlorene Geld. Er wolle sich grundsätzlich gegen die Verantwortungslosigkeit der Finanzexperten wehren, sagt Hillebrand. „Ein Rating ist doch nicht eine spontane Meinungsäußerung.“

Der Fall könnte als Erster seiner Art in Deutschland weit reichende Folge haben. „Wenn wir gewinnen, bedeutet das Hoffnung für tausende Betroffene“, sagt der Anleger.

Hillebrand hat seine Altersvorsorge zu seinem Glück nicht allein auf die Lehman-Zertifikate aufgebaut. Er lebt in einem abbezahlten Haus, das er sich nach seinem Umzug von Bochum nach Friesland gekauft hat. Nebenher betreibt er einen Online-Antiquitäten-Handel. „Dieses Hobby muss jetzt eine Menge abwerfen, damit wir unseren Lebensstandard halten können“, sagt er. Scham über seinen Verlust empfindet der ehemalige TÜV-Ingenieur nicht. „Ich bin nicht der Dumme“, sagt er. „Ich hab mir Rat von einem Profi geholt, weil mir die Fachkenntnisse fehlten.“ WED