MÜNCHEN, HANNOVER, LIJING
: Die gelbe Milch der frommen Denkungsart

Naihao, taz-Medienredaktion! Jawoll, ich kann es nicht anders sagen, mein Helm ist vom Staub der chinesischen Bauerndörfer bedeckt. Auch habe ich meine Fähigkeiten im Geländepinkeln auf Vordermann bringen können und bin nun in der Lage, auch im nächtlichen Einsatz ohne jedes Licht zielgenau dem Klassenfeind vor die Tür zu strullern. Doch leider, leider kann ich meinem Auftrag nicht nachkommen, tolle Informationen über die aktuelle Berichterstattung der Chinesen zu liefern. Mein Einsatz verschlug mich aufs Land. Hier kauft keiner Zeitungen. Denn hier kann kaum einer lesen. Meine erste Zeitung habe ich zu Gesicht bekommen, als ich am letzten Tag in einem Geschäft in der Kreisstadt Lijing das Füllmaterial aus einer Tasche zog. Die Details einer kleinen, feinen Anekdote über das sprachliche Danebenliegen eines deutschen Fernsehkollegen sind von meinem Informanten leider nicht termingerecht übermittelt worden. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als meine geneigten Leser zu enttäuschen und schnell für etwas Ablenkung zu sorgen: Habe ich letzte Woche noch geschrieben, dass „Relevanz! Relevanz! Relevanz!“ das neue Credo der Zeitschrift Focus ist, lässt sich diese Woche schon wieder ein neues Leitbild vermelden. „Eleganz! Eleganz! Eleganz!“. Die Münchner Illustrierte hat mit der „glamourösen Frau des neuen Bundespräsidenten“ gesprochen. Mit der Frau, die „die deutsche Antwort auf Carla Bruni sein könnte“. Ja, dieser Tage steigt nicht nur der deutsche Fußball aus Holzklasse auf, auch unser Leberwurst-Glamour bekommt ein neues Gesicht. Bettina Wulff heißt es. Unsere Carla Bruni ist Hannoveranerin, früher Musikerin eines Blockflöten-Quartetts. Ihr Mann ist Christian Wilhelm Walter, die politische Bananenmilch der CDU. Das, das hat mir mein so großzügig in China verteilter Urin gesagt, kann noch lustig werden.

Irre auch, was so ein wenig Blond gleich mit den Focus-Schreibern anzustellen vermag. Da „avanciert“ eine „langbeinige Blondine zur politischen Stilikone“. Und das, liebe Focus-Leute, hätte ich gern mal erklärt bekommen. Eine „politische Stilikone“. Was ist das? Jemand, der einen politischen Umgangsstil prägt? Jemand, der den Politikern die Socken rauslegt? Und warum zeigt Ihr auf dem Titel dieses „Glamour-Girl“ vor einem benutzten Teller und einem Haufen Geschirr? Das Messer hat sie auf der falschen Seite des Tellers abgelegt, und sie sieht aus, als spüle sie im Bad gerade den Mund aus. Dazu stellt Ihr das Wort „glamourös“. Eine Text-Bild-Schere auf Seite eins. Das muss man auch erst mal bringen. Respekt!

Mein Respekt hat dieser Tage aber auch Jogi Löw, der geschickt die Markenidentität seines Werbepartners Nivea mit seinen Auftritten im blauen Pulli in die Welt trägt. Und natürlich auch Katrin Müller-Hohenstein, die nicht nur Fußballexpertin ist, sondern sich auch noch mit Milch auskennt. Während sich alle Welt aufregt, weil die Sportmoderatorin des ZDFs, eines Fernsehsenders, Werbung für Weihenstephan macht, einer zum Müller-Imperium gehörenden Molkerei, dessen Milchprodukte man laut Gerichtsurteil getrost als „Gen-Milch“ bezeichnen darf, frage ich mich, was sie qualifiziert, dort im „Qualitätsbeirat“ zu sitzen? Ist sie bei Bauern aufgewachsen? Hat sie Kuh studiert? Ach, mal wieder hat der Teufel auf den dicksten Haufen geschissen. Nicht nur, dass sie charmant durch die Sportveranstaltungen von Siemens oder der Post führt oder durch die „Boni-Gala“ der BayernLB Kulmbach, sie kann auch noch über Milch reden. Und was bleibt mir? Zielpinkeln. Gelb vor Neid zurück nach Berlin!Hinweis:DIE KRIEGSREPORTERIN SILKE BURMESTER berichtet jeden Mittwoch von der MEDIENFRONTFeldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de