Guinea-Kommission unter Beschuss

Hamburger Gericht verbietet Abschiebungen nach Guinea ohne Prüfung auf Abschiebehindernisse. Auswärtiges Amt und Guineische Botschaft gehen auf Distanz zu dubiosen Passersatzpapieren. Bremer Innensenator will „neu prüfen“

Eine von der guineischen Botschaft nicht anerkannte Kommission entscheidet nach Kopfform und Akzent, ob jemand aus Guinea kommt

In der Auseinandersetzung um die Abschiebung afrikanischer Flüchtlinge nach Guinea hat die Hamburger Innenbehörde eine juristische Niederlage erlitten. Drei Asylbewerber hatten gegen ihre geplante Abschiebung nach Guinea geklagt. Sie argumentierten, dass die Ausländerbehörde mögliche Abschiebehindernisse lediglich im Hinblick auf die von ihnen angegebenen Herkunftsstaaten, also Burkina Faso und Sierra Leone, geprüft habe – nicht aber im Hinblick auf Guinea. Das Gericht folgte dieser Auffassung und erklärte die Abschiebeanordnung für unrechtmäßig.

Mark Nerlinger, Anwalt der Kläger, verwies darauf, dass in einem gleich gelagerten Fall das Hamburger Oberverwaltungsgericht diese Auffassung bestätigt habe. „Damit haben die Urteile Präzedenzcharakter“, so Nerlinger. Die Fälle gehen nun voraussichtlich zurück an das Bundesamt für Flucht und Migration.

Die geplanten Abschiebungen nach Guinea waren von Flüchtlingsorganisationen heftig kritisiert worden, weil sie auf der Ausstellung von Reisepapieren durch eine umstrittene Kommission beruhen. Diese war von der Hamburger und Dortmunder Ausländerbehörde ohne Beteiligung der guineischen Botschaft drei Mal nach Deutschland eingeladen worden. Sie sollte feststellen, ob Flüchtlinge, die angegeben hatten, aus anderen westafrikanischen Staaten zu stammen, Guineer sind.

Der Delegationsleiter, ein Beamter des guineischen Außenministeriums musste seinen letzten Deutschlandaufenthalt vorzeitig beenden, nachdem Vorwürfe laut wurden, er sei in die illegale Einschleusung westafrikanischer Flüchtlinge in den Schengen-Raum verwickelt.

In dieser Woche erhielt Nerlinger ein Schreiben vom guineischen Konsul in Berlin. Darin wies dieser jede Beteiligung der Botschaft an der Ausstellung von Passersatzpapieren durch die Kommission zurück. In dem Schreiben heißt es, die alleinige Verantwortung liege bei der Kommission selber und der Hamburger Ausländerbehörde. „Für einen Diplomaten ist das ziemlich deutlich“, so Nerlinger.

Auch im Auswärtigen Amt soll sich das Verständnis für die diplomatisch fragwürdige Prozedur in Grenzen halten. Man habe lediglich „den Briefträger gespielt“ und das Amtshilfeersuchen der Landesinnenministerien nach Guinea weitergeleitet, geht ein Sprecher auf Distanz. Ansonsten liege der Vorgang im Verantwortungsbereich der Länder.

Das Außenministerium bestätigte, dass zur Klärung der Vorwürfe gegen den Delegationsleiter das Auswärtige Amt um eine Prüfung gebeten worden sei. Das Ergebnis sei jedoch eine Verschlusssache. Nachdem bekannt wurde, dass auch Flüchtlinge aus Bremen der Delegation in Hamburg vorgeführt wurden, übten die Bremer Grünen heftige Kritik an der Vorgehensweise. „Jegliche Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit einer dubiosen Delegation aus Guinea ist strikt abzulehnen“, erklärt die grüne Fraktionschefin Karoline Linnert. Es dürfe „auf keinen Fall zu Abschiebungen aufgrund einer abstrusen Identitätsfeststellung kommen.“

Die Praxis der Kommission, die Herkunft von Flüchtlingen aufgrund von Aussprache und Gesichtsform zu entscheiden, nannte Linnert „grotesk“. Ähnlich wie zuvor mehrere Flüchtlingsorganisationen wandten sich die Grünen generell gegen Abschiebungen nach Guinea. „Dort herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Abschiebungen verbieten sich da von selbst“, sagte Linnert.

Markus Beyer, Sprecher des Bremer Innensenators Thomas Röwekamp (CDU), sagte, dass nur von der guineischen Botschaft ausgestellte Passersatzpapiere Grundlage einer Abschiebung in das Land sein könnten. Man sei in seiner Behörde davon ausgegangen, dass diese Voraussetzung bei den Kommissions-Papieren gegeben sei, so Beyer. Sollte dem nicht so sein, müsse der Vorgang juristisch geprüft werden. Christian Jakob