Die Katze mag die Musik

DR. MOTTE Von der Loveparade in den Blog: Dr. Motte, der morgen fünfzig Jahre alt wird, bleibt seinem Botschaftsdrang treu

Noch immer ist er politisch aktiv, für Frieden, Umweltschutz, Megaspree und Völkerverständigung

VON DETLEF KUHLBRODT

Erst traf es den einen, dann den anderen, und nun ist auch Dr. Motte schon fünfzig. So ist halt der Lauf der Dinge.

Andererseits kommt es einem auch so vor, als sei die Zeit der Berliner Loveparaden schon mindestens 50 Jahre her. Damals war’s im Juli 1989, als der gebürtige Spandauer und spätere Punkmusiker, der in seinem bürgerlichen Leben Matthias Roeningh heißt, die erste Loveparade unter dem Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“ initiierte. 150 Menschen waren über den Ku’damm gezogen. Die Stimmung war klasse, die Musik modern und mitreißend, und die Loveparade wurde immer größer, bis dass sie dann die urbane Umgebung in Richtung des Tiergartens verlassen musste. MTV war dabei, die FDP, Big Brother und die Leichenshow von Gunther von Hagens.

1997 war es wohl, dass verlangt wurde, die als Demonstration angemeldete Veranstaltung solle sich auch durch Worte legitimieren. Das war der Beginn der die Loveparade begleitenden berühmten dalai-lamaesken Reden von Dr. Motte, die er oft mit den Worten einleitete: „Hallo, ich bin’s: euer Dr. Motte.“ Und man stand da so herum, guckte nach oben und grinste ein bisschen, wenn Motte über die völkerverbindende Kraft der Musik sprach.

2002 hat er seine letzte Rede auf der Loveparade gehalten. 2006 hat er dann auf der Fuckparade gesprochen. Auflegen tut der freundliche Doktor immer noch und ist auch ansonsten politisch aktiv, für Frieden, Umweltschutz, Megaspree und Völkerverständigung.

Mittlerweile hat Fußball die Loveparade ersetzt. Nun ist es nicht mehr Dr. Motte, der von der Siegessäule her sagt „Wir glauben an die Macht der Musik“, sondern Philipp Lahm, der ein paar Meter weiter von den überlebensgroßen Leinwänden verkündet: „Wir glauben an die Macht des Fußballs.“

Fairness war gestern

Dies tut Dr. Motte nicht so. In seinem CO2-neutralen Blog schreibt er unter dem Titel „So wird die Deutsche 11 die Fußball-WM gewinnen“: „fair zum ergebnis kommen war gestern. deutschland ist ja im krieg, da kann man schon mal fußball schauen. es lenkt so herrlich ab“, erregt sich über „fausthiebe von torwarten, die wie kleine kinder ihren ball verteidigen!“, träumt von der „zukunft des fußballs“ als „no-rules fußball“: „alles ist erlaubt. hauptsache der ball liegt dann irgendwie im kasten. (…) das könnte noch mehr menschen an die glotze holen und vom realen leben ablenken und durch den spaßfaktor noch leidensfähiger machen. das nächste spiel kommt ja noch und dann wird deutschland weltmeister. von staats wegen werden wir halt alle zu fußball süchtigen.“

Nach der „innerer Reichsparteitags“-Entgleisung von Katrin Müller-Hohenstein sagte der Doktor: „Ich werde das faschistische ZDF aus meinem Fernseher entfernen und die GEZ wg. diesem Vorfall kündigen!“

Wenn man die Internetseite der Bild-Zeitung öffnet, um sich das Interview anzuschauen, das Motte anlässlich seines 50. Geburtstags gab, findet man einen Link mit Frauen, die einem Arsch und Titten entgegenstrecken: „die geilsten Bilder von der Loveparade“.

Die Leserkommentatoren „finden diese Präsentationen dieser Leute einfach ekelhaft und ohne Scham und Respekt. Aber das ist man ja von Deutschland so gewohnt, ohne Scham und Hemmungen“ und „Ich wohne in der Stadtmitte … habe kein Rollo am Fenster …, aber habe Kinder im Haus. Was soll ich meinen Kindern sagen????? Ich kann meine Kinder nicht einsperren oder Augen zubinden. Pfui … wirklich pfui. Nackte Leute auf der Straße sind unmöglich für Kinder. Außerhalb Stadt wäre ok, aber innerhalb Stadt ist nicht in Ordnung.“

Bisschen Wehmut

Dann hörte ich ein paar aktuelle Lieder des lieben Doktors und dachte wehmütig an die schönen Loveparade-Eröffnungspartys in der Arena, damals, in den schönen 90ern. Der Katze auf meinem Schreibtisch schien die Musik des Doktors zu gefallen.

Die Loveparade findet übrigens diesmal in Duisburg am 24. Juli statt. Motto: „The Art of Love“. Auf Bild.de wird die Megaparty exklusiv und live in TV-Qualität im Web übertragen. Es moderieren: Oliver Pocher (32) und seine Freundin Sandy Meyer-Wölden.