Die Realität des Krieges

Die US-Krankenhausdoku „Baghdad ER“ (Spiegel-TV Magazin, Sonntag, 21.30 Uhr, RTL) beschönigt nichts

Es ist harter Stoff, den Spiegel-TV seinen Zuschauern zumutet. Dabei ist der Dokumentarfilm „Baghdad Emergency Room“ des US-Senders HBO völlig unprätentiös gefilmt und geschnitten. Keine Kommentare aus dem Off, keine nachgestellten Szenen, keine künstliche Dramatik, wie man sie aus Reality-Formaten kennt. Die Autoren Jon Alpert und Mathew O’Neill hatten zwei Monate unzensierten Zugang zu einem Militärhospital in Bagdad, Irak.

Was sie sehen und filmen, sind die blutigen Ergebnisse der Kriegsführung von Seiten der irakischen Aufständischen. US-Soldaten, deren Patrouille von einem IED erwischt wurde, einem Improvised Explosive Device, am Straßenrand versteckt, das gezündet wird, wenn die Marines in ihren Humvees vorbeifahren. Die Bomben sind meist aus alten Artilleriegranaten hergestellt, und so sind auch die Folgen: abgerissene Gliedmaßen, Schrapnelle im ganzen Körper, Schock und Erklärungsnot.

Soldaten, die, selbst verletzt, um ihren Kameraden weinen, der eben noch am Leben war. Soldaten, die, notdürftig versorgt, ihre Angehörigen anrufen dürfen und auf die stets überschwänglich gestellte Frage: „Heey! How’re you doing?“ um die richtigen Worte ringen. Soldaten, die sterbend eingeliefert werden und es nicht mehr schaffen. Ein tiefer Schnitt in blutiges Fleisch. Ein Arm, der in einen Müllsack geworfen wird. Ein Fußboden voller Blut. Und ein Ärzte-und-Assistenten-Team, das sich um Professionalität bemüht – und um Normalität.

„Kennen Sie den?“, fragt ein über einen bewusstlosen Soldaten gebeugter Arzt in die Kamera, „sagt der Arzt sagt zu einem Soldaten nach dem Aufwachen: ‚Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht, welche wollen Sie zuerst hören?‘ ‚Die schlechte, dann kann die gute mich aufheitern.‘ ‚OK, ich habe Ihnen beide Beine amputieren müssen.‘ ‚Au Mann, welche gute Nachricht könnte mich da noch glücklich machen?‘ ‚Der Patient im Nachbarbett will Ihre Schuhe kaufen.‘“ Schwarzer Humor, erklärt der Arzt, halte die Mitarbeiter gesund.

Der Ende Mai in den USA ausgestrahlte Film – an dessen Premiere höhere Offizielle des Pentagons nicht teilnahmen, obwohl das Verteidigungsministerium ihn gutgeheißen und den Zugang ermöglicht hatte – zeigt Bilder aus einem US-geführten Krieg, wie sie in den USA seit Vietnam nicht mehr zu sehen waren. Verwundbare Menschen in Uniform. Ärzte, deren routinierter Einsatz für das Leben ihrer Patienten vielleicht ein bisschen zur Heldensage taugt. Offiziere, die einem Verwundeten die „Purple Hearts“-Medaille auf die nackte Brust legen, für Verwundungen im Kampf. Militärseelsorger, die über Leichensäcken Gebete sprechen, bevor sich die Klappe zum Kühlfach schließt.

So nah ist seit dem Einmarsch in den Irak kein Medium der Wirklichkeit dieses Krieges gekommen. Der US-amerikanischen. BERND PICKERT