Die radikale Stimme der Schwarzen ist tot

NACHRUF Der US-Schriftsteller und Essayist Amiri Baraka ist im Alter von 79 Jahren gestorben. Er glaubte nicht an einen friedlichen Wandel und anerkannte doch die Fortschritte unter Präsident Barack Obama

„Seit Obamas Wahlsieg haben sich die Rassenbeziehungen gebessert“

AMIRI BARAKA

BERLIN taz | „Wenn jemand irgendwo auf einem Acker den Kopf gehoben hatte und ausrief, ‚Oh Ahm tired a dis mess / Oh yes, Ahm tired a dis mess‘, kann man sicher sein, dass es sich um einen Amerikaner handelt“, schrieb Amiri Baraka in seinem Buchdebüt „Bluespeople“. Diese Worte fassen die rassistisch motivierte Benachteiligung von Sklaven und die Bewusstwerdung ihrer unwürdigen Lebensumstände bündig zusammen. Für diesen elend langen Prozess der schwarzen Emanzipation fand Baraka eine Sprache, die wütend war, frech und polemisch. Sie inkorporierte Spoken-Word-Traditionen und Straßenslang genau wie Songstrukturen und Kadenzen aus der Musik.

Bei der Erstveröffentlichung von „Bluespeople“, 1963, besaßen Afroamerikaner noch kein Wahlrecht. Der Kampf um die Bürgerrechte war bereits entbrannt, und Baraka, der das Buch noch unter seinem bürgerlichen Namen LeRoi Jones veröffentlichte, wurde bald zu einer der wichtigsten Stimmen der Bürgerrechtsbewegung. Anders als viele seiner religiös motivierten Mitstreiter erklärte er Martin Luther Kings friedlichen „Traum“ im Jahr nach dem „Marsch auf Washington“ (1964) für beendet.

Er rückte angesichts von Aufständen in den US-Ghettos und umfassender Polizeiüberwachung (auch Baraka landete auf einer Liste des FBI) nach links und deklarierte die Black Power als „Krieg der Worte“. Aber der Kampf um die gesellschaftliche Gleichstellung der Schwarzen blieb bei ihm friedlich und pointiert. In seinem Manifest „Black Arts“ (1965) hieß es: „We want poems that kill.“

In seiner Autobiografie schreibt Baraka 1984 davon, wie weit entfernt er sich und seinen Stil vom feuilletonistischen Mainstream wahrnahm. Und dennoch etablierte sich Baraka in den Siebzigern ebendort als Autor und Essayist, schrieb für namhafte Magazine und Zeitungen und lehrte an Universitäten wie Yale. Der taz gewährte er im Rahmen einer Reportage über New York zehn Jahre nach 9/11 im Sommer 2011 ein Interview. Der Zustand der USA erinnerte ihn an Deutschland zu Zeiten der Weimarer Republik, sagte Baraka. Aber er meinte auch: „Seit Obamas Wahlsieg haben sich die Rassenbeziehungen gebessert. Es gibt eine wachsende Anzahl wohlhabender wie auch politisch einflussreicher Schwarzer.“

Einer ihrer herausragendsten Stimmen, der Schriftsteller und Essayist Amiri Baraka, ist am Donnerstag im Alter von 79 Jahren nach längerer Krankheit in Newark, New Jersey, gestorben.

JULIAN WEBER