HAMBURGER SZENE VON FRIEDERIKE GRÄFF
: Die Aufdringliche

In die S-Bahn steigen jetzt zwei Mädchen ein, mit Schulrucksäcken und so wohl geordnet, dass sie nicht mal kichern

Fährt man in der S-Bahn von Blankenese nach Altona, dann sieht man sie, die weißen Villen mit den großen Gärten, den alten Bäumen darin und dem Rasen, der so grün ist, wie er sein soll. Man sieht nicht viele Leute darin, aber das ist um kurz nach zwölf ja auch kein Wunder: Da arbeiten die Eltern und die Kinder sind in der Schule.

Diese Eltern und diese Kinder stellt man sich in weißen Leinenhosen und zart gebräunt vor, im Reinen mit sich und einer Welt, die ihnen offen steht wie ein großes Versprechen, das niemand formulieren muss, so selbstverständlich ist es. Aber vielleicht ist es auch ganz anders und von innerem Frieden keine Spur in den weißen Villen, wer will das schon von der S-Bahn aus beurteilen. In diese S-Bahn steigen jetzt zwei Mädchen mit Schulrucksäcken ein. Vielleicht vierzehn, fünfzehn Jahre alt und so wohl geordnet, dass sie nicht mal kichern. Und noch jemand steigt ein. Eine ein wenig barocke Frau mit kurzem dunklen Zopf in einem Blazer und beiger Hose, so könnte eine südamerikanische Gastwisssenschaftlerin aussehen.

Sie fängt an zu singen, ein spanisches Lied, es klingt so, als ginge es um Liebe und auch Unglück, natürlich. Dann geht sie durch die Reihen, wer möchte, gibt ihr Geld. „Ich finde es super aufdringlich, wenn die Leute einen so um Geld anbetteln“, sagt das eine Mädchen unfroh. „Sollen sie doch einfach so dasitzen.“