Fragen an den Zen-Meister

Jetzt nur mal die Ruhe und sich wieder konzentrieren, denn irgendwann wird es passieren, man weiß nur nicht genau, wann. Aber es handelt sich auch um ein fortlaufendes Experiment, das im Jahr 1927 vorbereitet wurde und schon wenig später im Jahr 1930 aufsehenerregend begann. Der Trichter wurde geöffnet. Es geht also nicht um die allererste Fußballweltmeisterschaft in Uruguay in diesem Jahr, sondern um das sagenhafte Pechtropfenexperiment in Brisbane, Australien, mit dem in einem Langzeitversuch das Tropfverhalten von Pech bei Zimmertemperatur verfolgt wird. Weil Pech ein superzäher Stoff ist, braucht man dafür Geduld, Tropfen für Tropfen. Der erste fiel 1938 aus dem Trichter (Italien wurde Weltmeister), der bislang letzte wurde am 28. November 2000 beim Fallen beobachtet. Es war erst der achte Pechtropfen.

Irgendwann aber wird der nächste fallen, und schön wäre es, wenn man das dann mit einer Liveübertragung aus der Sankt-Burchardi-Kirche in Halberstadt im Landkreis Harz begleiten würde. Dort nämlich sind gerade sehr getragene Orgelklänge zu hören, ein kleines Werk von John Cage, „Organ2/ASLSP“, das immerhin auch bereits seit 2001 aufgeführt wird und noch, man kann es seinen Enkeln weitersagen, bis etwa ins Jahr 2640 dauern wird. So lange will man in Halberstadt aushalten, Cages Spielanleitung ASLSP – as slow as possible – recht streng auslegend. Der letzte und einzige Tonwechsel in diesem Jahr am vergangenen Montag war auch den Fernsehnachrichten eine Meldung wert.

Bei der Uraufführung des Stücks 1989 wurde „Organ2“ in 29 Minuten durchgespielt. In dieser Hetze allerdings war das ein ganz anderes Stück. Was Be- und Entschleunigung in der Musik ausmacht, kann man gut auch bei den Beatles hören mit „Revolution“. Genau heute vor 42 Jahren begannen die Aufnahmen für die Single-Version, mit dem aufgeweckten Gesang und das Lied knackig so geradeaus gespielt, dass es schon so klingt, dass sie eine überlegenswerte Sache sein könnte, die Revolution, während die „Revolution“-Version vom Weißen Album derart schlurfend und schunkelnd mit Schubiduh und einem weggedöst singenden John Lennon daherkommt, als wollte er nur sagen, lass stecken, Alter, weil doch sowiesio gilt, it’s gonna be all right, all right.

Man könnte sich auch vorstellen, dass in Halberstadt diese andere Komposition von John Cage, „4‘33‘‘“, mal as slow as possible aufgeführt wird. Das ist das Stück, in dem kein einziger Ton gespielt wird. Auf Jahre ausgedehnt. Der kalte Hauch der Ewigkeit. Wenn Sie sich nicht sicher sind, konsultieren Sie Ihren Zen-Meister. THOMAS MAUCH