Nach Hannover sagt auch Hamburg Tschüs!

Zum Abschied ein schwaches Spiel: Seit dem Hamburger Viertelfinale ist der Norden nicht mehr weltmeisterlich. Die WM-Bilanz: Organisatoren und Fans sind zufrieden, nur der Einzelhandel klagt über ausgebliebene Umsätze.

Der Anlass hätte einen würdigeren Rahmen verdient. Im Hamburger – zum letzten mal so genannten – Fifa-WM-Stadion, bleiben etliche Plätze leer. Vor den Stadiontoren bieten etliche Händler die sonst so begehrten Tickets wie Sauerbier an. Das Spiel ist nach sechs Minuten entschieden, zwei Mauermannschaften bieten zumindest in der ersten Hälfte fußballerische Magerkost.

Die Fans passen sich dem Niveau an. Die italienischen Schlachtenbummler sind seltsam lethargisch, die wenigen Ukrainer spätestens nach dem 0:2 verstummt. Die deutschen Fans feiern – wenige Stunden nach dem Elfmeterkrimi gegen Argentinien – nur sich selbst. „Steh auf, wenn du ein Deutscher bist“, hallt es in schöner Regelmäßigkeit durch die Arena, und wer sich verweigert, dem versperrt der Rücken des Vordermanns die Sicht auf das Spielgeschehen. Immerhin bleiben die heillosen Sieg-Stakkatos aus.

Kurz vor elf Uhr am Freitagabend ist alles vorbei. Mit dem Abpfiff ist die Fußball-WM in Hamburg Geschichte – bereits am Tag danach beginnt der Rückbau des Fifa-WM-Stadions zur AOL Arena.

Trinidad & Tobago – schon lange aus Rotenburg abgereist, das US-amerikanische Team längst zu Hause, in Hannover schon seit dem Achtelfinale keine Spiele mehr, auch Hamburg als Spielort nun ausgemustert – der Norden hat sich aus dem Fußball-Spektakel verabschiedet. Die Fan-Feste in Hamburg und Hannover könnten genauso stattfinden, wenn das Fußball-Fest am Nordkap oder in Südafrika stattfände. Denn mit den Teams sind auch die Schlachtenbummler aus aller Welt nahezu verschwunden.

Auch wenn das Hamburger (Viertel-)Finale nicht gerade weltmeisterlich war – die Bilanz der drei vergangenen Wochen fällt fast überall positiv aus. Hamburg präsentiert sich als fast perfekter WM-Gastgeber. Anreise und Abreise zum Stadion funktionieren reibungslos, bei den Sicherheitskontrollen geht es meist locker und entspannt zu.

Die Polizei hält sich, trotz starker Präsenz, meist mit Augenmaß im Hintergrund, die meisten Fans machen es ihr leicht. 94 Festnahmen und 162 Ingewahrsamnahmen lautet die Bilanz der ersten drei WM–Wochen, viel weniger als befürchtet. Auch die Prognose, der männerdominierte WM-Tourismus könnte einen zeitweiligen Zwangsprostitutions-Boom auslösen, bewahrheitete sich nicht.

Und wer sich auf dem Fan-Fest auf dem Heiligengeistfeld mit ausländischen Besuchern unterhält, bekommt immer wieder zu hören, wie angenehm und gastfreundlich die Atmosphäre in Hamburg sei. Nein, von Nationalismus oder gar Rassismus hätten sie nichts gespürt, geben viele WM–Touristen zu Protokoll. Die Deutschen seien besser als ihr Ruf.

Klagen kommen nur von den Einzelhändlern. Während die Stadien voll sind, bleiben viele Geschäfte leer. Zwar sind Souvenirs, Textilien und Elektrogeräte gefragt, Kneipen und Hotels voller als sonst – die meisten Branchen aber können vom WM–Boom nicht profitieren.

Besonders die verlängerten Öffnungszeiten, die in Hamburg als Testballon für eine neue Ladenschlussregelung im kommenden Jahr dienen sollten, gerieten zur Freude der Gewerkschaften zum Mega-Flopp. „Die Umsätze, die erzielt wurden stehen in keinem Verhältnis zu den Kosten, die durch die längeren Öffnungszeiten entstanden sind“, klagt Ulf Kalkmann vom Hamburger Einzelhandelsverband. In Hannover, wo von vornherein auf eine Ausweitung der Öffnungszeiten verzichtet worden war, sehen sich die Geschäftsleute in ihrer Einschätzung bestätigt.

Marco Carini