Der letzte Pass

Nach der Niederlage seines Teams gegen Deutschland erklärte der argentinische Coach José Pekerman umgehend seinen Rücktritt – nicht ohne den „besten Fußball“ seiner Mannschaft zu loben

AUS BERLIN MARKUS VÖLKER

Mit müden Augen trat José Pekerman vor die Weltpresse und nahm seinen Abschied. „Ich bin überzeugt, dass ich alles getan habe und dass es an der Zeit ist, dass es nun jemand anders macht“, sagte er leise. Es war keine überstürzte Entscheidung, die der Trainer der argentinischen Elf in Berlin verkündete. Die Ära Pekerman endete still. Sein Team hatte im Elfmeterschießen gegen die deutsche Mannschaft verloren. Stolz sei er auf seine Jungs, sagte der 56-Jährige: „Man wird sich an dieses Team erinnern.“ Auch José Pekerman wird man so schnell nicht vergessen, den Coach, über den Jürgen Klinsmann sagt: „Ich bewundere ihn und seine Arbeit.“

Pekerman ist der Mann für die Jugend; er hat mit dem Nachwuchs drei WM-Titel gewonnen, und auch diesmal war die argentinische U20-Auswahl mit nach Deutschland gereist, um nah dran zu sein an der Elite. Elf Spieler im aktuellen Kader der Argentinier hatte Pekerman bereits in der Jugendauswahl trainiert. Chefcoach des A-Teams wurde er im Herbst 2004, nach dem Olympiasieg in Athen. Er hat nach dem schmählichen Aus der Südamerikaner in der Vorrunde der vergangenen WM in Japan und Südkorea eine neue Mannschaft aufgebaut, die reif für den Titel war, die cleveren Kombinationsfußball spielte und im Turnierverlauf Bestnoten erhielt. „Es war ein großes Team, das großen Fußball gespielt hat, den besten bei diesem Turnier“, sagte ein trauriger Trainer.

Die großen Auftritte haben den Argentiniern nicht geholfen gegen die Deutschen. „Wir haben auch diesmal sehr klar und technisch gut gespielt“, analysierte Pekerman, „aber uns fehlte der letzte Pass.“ Für den finalen Pass wäre Spielmacher Juan Román Riquelme zuständig gewesen. Doch der Profi vom spanischen Verein Villarreal hatte einen seiner melancholischen Tage erwischt. Tranig und lustlos wirkte er, desillusioniert nach den quälenden Attacken der deutschen Defensivspieler. In der 72. Minute nahm ihn Pekerman vom Platz und ersetzte ihn durch den defensiven Mittelfeldspieler Esteban Cambiasso. Der Herz der Mannschaft schlug nun nur noch auf der Bank. Pekerman musste diese Transplantation erklären. Wie konnte er nur – das wollten die südamerikanischen Berichterstatter wissen. „Ich musste das Team erfrischen“, antwortete ihnen der scheidende Trainer. „Riquelme war sehr müde.“

Ein weiterer Wechsel sorgte für Diskussionsstoff. Hernan Crespo musste Julio Cruz weichen, der im Gegensatz zu Crespo ein eher hölzerner Kopfballspieler ist. Pekerman, der Systematiker, sagte: „Wir brauchen bestimmte Spieler für bestimmte Situationen. Und wir haben auf den Flügeln gut agiert und Flanken geschlagen, aber keinen gehabt, der sie verwertete.“ Pekermans Plan scheiterte jäh. Auch der sehnsüchtig auf dem Platz erwartete Lionel Messi musste draußen bleiben. Die Dribblings und Inspirationen des 19-Jährigen sind jetzt schon Legende, doch Pekerman ließ den Jungstar des FC Barcelona schmoren. Das lag auch daran, dass sich Torwart Roberto Abbondanzieri bei einer Kollision mit Klose verletzt hatte und gegen Oscar Ustari ausgetauscht werden musste.

„Wir konnten nicht so wechseln, wie wir wollten“, sagte Pekerman, eine Aussage, mit der sich die Journalisten nicht zufrieden gaben. Anderntags machten sie ihm böse Vorhaltungen. „Warum hat Pekerman Riquelme rausgenommen? Warum hat er Cruz gebracht? Die Wechsel des Trainers fruchteten nichts“, schrieb La Nacion. „Es ist zum Verzweifeln. Die Seleccion war bereit zu mehr. Warum spielte Messi so wenig?“, fragte sich Ole. Und das spanische Blatt El País stellte fest: „Argentinien spielte in allen Belangen besser. Es zahlte für die Entscheidung seines Trainers Pekerman, Messi draußen zu lassen.“

Argentinien wollte sich am Spiel der Auswahl berauschen. José Pekerman indes hat sie Sicherheitsfußball spielen lassen. Vielleicht ist er auch deswegen gegangen.