Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Noch muss man sich über den Partyotismus keine Sorgen machen, aber das kann sich nach der WM schnell ändern. Zumal es nun nicht einmal mehr das allseits bewährte Nach-WM-Methadonprogramm Tour de France geben wird

Wer Sehnsucht nach „sauberem Sport“ hat,muss ihn, so weit sind wir gekommen, selber machen

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Meine vaterlandslose und klinsagnostische Haltung vor dem Argentinien-Spiel.

Was wird besser in dieser?

Ich wette nicht mehr.

Wie macht sich Angela Merkel als Fußballfan?

Tollpatschig, gefühlsgesteuert, enthemmt, uneitel: glaubwürdig. Typisch Kopfmensch, der sich im Fußball Gefühlskarneval gönnt. Klug, in der Fanrolle zu bleiben und jetzt nicht Klinsmann niederzukumpeln.

Wäre das mit Schröder & Schily eine unangenehmere Fußball-Performance geworden als jetzt bei Merkel?

Zu spekulative Frage. Zu Amtszeiten wirkte Schily bei solchen Anlässen cool, Schröder hirschig bis aufdringlich. Mit wachsendem Erfolg weniger Fan und mehr Irgendwie-auch-Mitsieger-sein-wollen. Sicher hingegen: Hätte Schröder bis zum ursprünglich geplanten Wahltermin durchgehalten, wäre nicht nur sein Glaube an Hartz plausibel geworden, sondern auch ein möglicher WM-Rückenwind seiner.

Wird dieser schwarz-rot-goldene Feelgood-Fanmeilen-Patriotismus langsam nicht doch ein bisschen unheimlich?

Noch ist es wesentlich Partyotismus. Klar befürchte auch ich trotzdem, dass danach die üblichen Fahnenschwenker mit der Rassel säbeln werden. Auch, nachdem sie eben noch Asamoah, Odonkor und Owomoyela angepöbelt haben. Man kann nur versuchen, dieses neue Schwarz im RotGold als frisches Kapital zu sehen.

Können Sie das Rätsel lösen, wie Klinsmann aus 11 Rumpelfußballern diese Mannschaft gemacht hat?

In der albernen Wohnsitz- und der zugespitzten Torwart-Frage hat er den Konflikt mit Bild-Zeitung und FC Bayern durchgestanden – ohne Kotau. Damit verschaffte er seinem Job die an sich zugehörige Autorität und vor allem Souveränität. Also die Freiheit, alles so modern und teamorientiert einzurichten, wie es Vorvorgänger Vogts mustergültig vorgeschlagen hatte, bevor er an den eingangs genannten Mächten scheiterte.

Die Tour de France startet ohne die Stars Basso & Ullrich und 37 weitere ausgeschlossene Fahrer. Ist die Tour de France am Ende?

Ich bin stinksauer, kein Nach-WM-Methadonprogramm mehr zu haben, hatte mich drauf gefreut. Selbst mit der Ahnung, dass Ullrich auch so geschickt dopt wie zuvor Armstrong, hätte ich ihm diese letzte Revanche-Chance gegönnt. Die Tour ist aus deutscher Sicht zu Ende, weil nun kein Siegfahrer mehr in Sicht ist; sie wird auf die Bedeutung der Vor-Ullrich-Ära zurückfallen.

Ist der Profiradsport in der jetzigen Form noch zu retten?

Bizarrer als die Erkenntnis, dass die wichtigsten und gegensätzlichsten Konkurrenten offenbar allesamt beim gleichen Metzger verarztet wurden, kann der Beweis nicht sein: Man dopt nicht zur individuellen Leistungssteigerung, sondern um die Norm zu erfüllen. Also ist Doping ein Wesensmerkmal des Profiradsports. Unter dem Mantra „Die sind eh alle gedopt“ hat man bisher schon die Tour geguckt und geahnt, dass das Gesamtklassement 5 bis 10 km/h langsamer, die Reihenfolge der Fahrer aber kaum anders wäre.

In Italien werden wohl mehrere Vereine wegen Korruption in die dritte Liga verbannt. Ist solche Kriminalität – wie in der Seria A und der Tour – ein unvermeidlicher Nebeneffekt von hoch kommerzialisiertem Spitzensport?

Ja. Alle diese Erscheinungen bringen nämlich die Fans nicht zur Besinnung auf die durchaus attraktiven Amateurwettbewerbe in diesen Sportarten. Sondern die Korruption in die Kreisklasse und die Mittelchen in die Satteltasche des Radtouristikfahrers. Wer Sehnsucht nach „sauberem Sport“ hat, muss ihn, so weit sind wir gekommen, selber machen.

In den Umfragen stürzt die Union derzeit rapide ab – gegenwärtig auf 33 Prozent. Mutet Merkel dem Kernmilieu der Union mit Antidiskriminierungsgesetz und Elterngeld zu viel zu?

Wage zu bezweifeln, dass die Politik derzeit überhaupt eine Geige spielt beim Empfinden der gesellschaftlichen Großwetterlage in Deutschland. Kann es sein, dass man auch die Union mit der Trümmerfrau nicht mehr so dringend braucht, wenn’s einem eh gerade Party geht? FRAGEN: SR