Einwanderungsgesetz stößt auf Protest

Tausende demonstrieren in Paris gegen neue Regelungen, die Ausländern eine Niederlassung in Frankreich erschwert. Zudem richtet sich der Protest gegen die mögliche Abschiebung zahlreicher Immigrantenkinder nach dem Ende des Schuljahres

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Tausende Menschen haben am Samstag in Paris gegen die Verschärfung der Einwanderungsgesetze demonstriert. Als letzte parlamentarische Instanz hatte am Freitag der Senat die Vorlage von Innenminister Nicolas Sarkozy zur Verschärfung der Einwanderungsgesetze gebilligt. Die Sozialisten wollen die Bestimmungen vom Verfassungsgericht überprüfen lassen.

Dem neuen Gesetz zufolge ist es für Ausländer künftig schwerer, sich in Frankreich niederzulassen oder ihre Familien ins Land zu holen. Ausnahmeregelungen sind für Einwanderungswillige mit speziellen Fähigkeiten oder Talenten vorgesehen. Sarkozy zufolge soll Frankreich damit in die Lage versetzt werden, seine Immigranten selbst auszuwählen, anstatt zu deren Aufnahme gezwungen zu sein. Bürgerrechtler äußerten die Befürchtung, dass nun zahlreiche Kinder von illegal Eingewanderten abgeschoben werden könnten, obwohl sie seit langem französische Schulen besuchen.

Die Befürchtung ist berechtigt. Bis zum Beginn der Sommerferien am vergangenen Wochenende galt eine „Schonfrist“, die Innenminister Sarkozy im Herbst 2005 verfügt hatte. Während des Schuljahres würde kein Schulkind aus Frankreich abgeschoben. Es war Sarkozys erstes Zugeständnis an die Protestbewegung – und sein erster Versuch, ihr die Spitze zu nehmen. Vorausgegangen war die Odyssee des 14-jährigen Jonathan und der 15-jährigen Rachel durch dutzende Verstecke in Frankreich. Die Geschwister waren im Oktober untergetaucht, um ihre Familie vor einer Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo zu schützen. Die Aktion ging erst zu Ende, als die Familie Makombo ein – befristetes – Aufenthaltsrecht bekam.

Acht Monate später droht Tausenden ein ähnliches Schicksal. Das Innenministerium hat 750 Familien mit Kindern – 2.500 Personen – erfasst, die von jetzt an abgeschoben werden können. Richard Moyon, Sprecher des Netzwerkes Erziehung ohne Grenzen (RESF), schätzt, dass die tatsächliche Zahl der gefährdeten Familien bei bis zu 10.000 liegt. Am ersten Wochenende dieser heißen Sommerferien hat sein Netzwerk mehrere Demonstrationen organisiert.

Von den Menschen, die am Samstag durch Paris zogen, haben die meisten Petitionen unterzeichnet, in denen sie sich zu Patenschaften bereiterklären. Manche verstecken Kinder. Das Wort „ziviler Ungehorsam“ war in vieler Munde. „Wie sollte ich meinen Kindern erklären, dass ihre Freunde im nächsten Schuljahr nicht mehr in den Unterricht kommen?“, sagt Damien de Blic. Der Pariser Soziologe meint, dass er „keine andere Wahl“ hatte, als eine Patenschaft zu übernehmen. Er schützt Kinder aus einer afrikanischen Familie vor der Abschiebung aus Frankreich.

„Wenn Nachbarn abgeholt werden, um dorthin verfrachtet zu werden, wo sie nicht hin wollen, ist Widerstand nötig“, sagte bei der Abschlusskundgebung die Journalistin Florence Aubenas, die 2005 Geisel im Irak war.

An der Spitze der Demonstration gingen fast alle PräsidentschaftskandidatInnen der linken Parteien Frankreichs mit – darunter zwei TrotzkistInnen und mehrere SozialdemokratInnen. Ihr massiver Auftritt erinnerte an eine andere Unterstützungsbewegung für Papierlose in Frankreich, die Mitte der 90er-Jahre der Wahl der rot-rosa-grünen Regierung vorausging. Weiter hinten demonstrierten prominente KünstlerInnen zwischen AfrikanerInnen, ChinesInnen und vielen EinwandererInnen aus dem Kaukasus. Alle verlangen „Papiere für alle.“

Am Samstagvormittag vor der Kundgebung hatte ein neuer Vermittler des Innenministers eine Pressekonferenz veranstaltet. Arno Klarsfeld ist Anwalt, ein Freund von Sarkozy, und er macht wieder neue Zugeständnisse an die Protestbewegung. Er ruft alle papierlosen Familien auf, Anträge für „Einzelfallprüfungen“ zu stellen. Und er versichert, dass kein Schulkind, das in die französische Gesellschaft „integriert“ sei, etwas riskiere.

Richard Moyon von RESF spricht wenige Stunden später von der „Eröffnung der Jagd auf Kinder“. Dass jemand wie Klarsfeld „seinen ehrenhaften Namen, der an die Jagd auf NS-Verbrecher erinnert, für so etwas hergibt“, will er nicht verstehen.