EU-Streit bringt Fischer in Bedrängnis

ZERTIFIZIERUNG Weil sich die Behörden nicht auf Regeln für Fang und Nachzucht einigen können, trägt Hering aus der Ostsee bislang kein Ökosiegel. Das macht ihn in Deutschland zunehmend unverkäuflich

SASSNITZ/ROSTOCK dpa | An der Ostsee verstehen viele Fischer die Welt nicht mehr: Obwohl ihre traditionelle Stellnetzfischerei als hochselektiv und deshalb als nachhaltig und bestandsschonend gilt, ist der Ostsee-Hering noch immer nicht mit einem Nachhaltigkeitssiegel zertifiziert worden. Mittlerweile fürchten die Fischer deshalb um Absatz und Preise.

Auf den meisten Fischkonserven und Tiefkühlprodukten im Supermarktregal prangt heute das Siegel des Marine Stewardship Councils (MSC). Handelsketten wie Edeka oder Aldi nehmen Fischprodukte ohne dieses Siegel kaum noch ab. Doch während der Nordsee-Hering dieses trägt, blieb es dem Artgenossen aus der Ostsee bislang verwehrt.

Der Fisch werde in Deutschland zunehmend unverkäuflich, klagt deshalb Uwe Richter, Betriebsleiter des EuroBaltic-Fischwerks in Sassnitz: „Das Hauptvermarktungsfeld für den Ostsee-Hering über die Großhandelsketten ist so gut wie zusammengebrochen.“ Das Werk ist einer der größten Heringsverarbeiter und -vermarkter Europas.

Ursache der Probleme der Heringsfischer in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ist ein EU-interner Streit: Für den Hering, den sie fangen, gibt es keinen von der EU abgesegneten Managementplan. Der Nachweis eines Fischmanagements ist neben dem Nachweis eines stabilen Fischbestandes und geringer Umweltauswirkungen jedoch eine von drei Säulen, die für eine MSC-Zertifizierung erforderlich wären.

Doch EU-Parlament und Ministerrat stritten um die Zuständigkeit, sagt Christopher Zimmermann, Leiter des Rostocker Instituts für Ostseefischerei. Daher liege der Heringsmanagementplan seit Jahren auf Eis.

Trotzdem sieht Zimmermann Chancen für die Zertifizierung: Norwegen, das den gleichen Ostsee-Herings-Bestand befischt, hat sich im Sommer 2013 mit der EU über eine bilaterale Lösung zur Bewirtschaftung des Herings verständigt. Sollte die Einigung Ende Januar 2014 schriftlich formalisiert werden, könne das für einen Nachweis des Fischmanagements ausreichen.

Entlang der deutschen Ostseeküste zwischen Flensburg und Usedom sind viele Fischer wegen Fangmengenbeschränkungen und Umweltauflagen in ihrer Existenz bedroht. Mecklenburg-Vorpommern etwa zählt 1991 noch rund 1.000 Küstenfischer, heute gibt es dort nur noch 277.