Spielplätze (20)
: So macht Fußballgucken Spaß: „Finde den treffendsten Musikkalauer“ unter hohen Bäumen

Alle gucken Fußball. Wir auch. Bis zum Ende der WM berichten wir täglich live von den Berliner Spielplätzen. Heute: England – Portugal im „Waldschloss“ in Potsdam.

Das hat Mick Jagger nicht verdient. Der große alte Rock’n’Roller legt auf der Tribüne eine Show hin wie bei einem Stones-Konzert. Er springt umher, fuchtelt mit den Armen, zerknautscht sein Runzelgesicht, reißt sein Riesenmaul auf und klappt es wieder zu. Alles für seine englischen Jungs, die mit den drei Löwen auf dem Shirt. Es ist eine fast tragische Szene.

Und Thomas Waack, den das ZDF aus nur ihm bekannten Gründen das Spiel England – Portugal moderieren lässt, sagt, als die Kamera auf den leidenden Jagger schwenkt: „Tja, von Satisfaktion kann hier noch keine Rede sein.“ Bei Campino, der ebenfalls im Stadion weilt, fällt ihm ein, dass auf dem Platz „ja eher tote Hose“ sei. Wahrscheinlich ist die Verwendung dümmlicher Kalauer im öffentlich-rechtlichen Grundauftrag festgeschrieben, unter der Klausel: origineller Wortwitz.

Womit wir beim einzigen, allerdings gravierenden Nachteil dieses traumhaften Öffentlich-Fußball-gucken-Ortes (ÖFGO) wären, der sich unweit des S-Bahnhofes Griebnitzsee in Potsdam findet: Der Ton ist im Biergarten Waldschloss ziemlich gut. Er dringt klar und präzise aus den Boxen, die sie hier aufgestellt haben. Kein einziges Wort des ZDF-Metaphernkönigs entgeht dem Publikum, das vor einer Großleinwand sitzt, die diesen Namen verdient. Ihr Bild könnte ein bisschen mehr Kontrast vertragen, dafür spannt sie sich fast fußballtorgroß an der Mauer des Restaurants. Und das ist nur einer von vielen Vorzügen des Biergartens.

Allen, die bisher ihre Zeit auf irgendwelchen Fanmeilen verschwendet haben, sei deshalb der perfekte WM-Tag ans Herz gelegt: Zunächst hüpft man in Havel oder Griebnitzsee, schwimmt ein paar Bahnen zwischen den kreuzenden Freizeitdampfern hin und her, trocknet sich auf dem kurzgeschorenen Rasen des Schlossparks Babelsberg und fährt hinterher ins Waldschloss.

Die Oase des entspannten Guckens liegt nur wenige Fahrradminuten von den Badestellen entfernt, auf volltrunkene Verbrüderung, wie sie in Berlins Mitte üblich ist, wird man hier kaum stoßen. Überwiegend junge Leute sind es, die in gelben Liegestühlen vor der Leinwand lagern, unter hohen Bäumen ist es angenehm kühl. Ein paar StudentInnen nehmen das Spiel „Finde den treffendsten Musikkalauer“ dankbar auf. „Nicht auszudenken, wenn BAP im Stadion wäre“, sagt der eine. „Verdamp lang her, dass die Engländer ein Tor geschossen haben.“ Die andere lästert: „Ich weiß gar nicht, was du hast: You can’t always get what you wan’t!“

Wie bei jedem ordentlichen ÖFGO gilt auch im Waldschloss das Prinzip Selbstbedienung. An lauen Sommerabenden schmeckt ein Cidre herrlich, den muss man sich drinnen an der Theke mit ein paar Minuten Wartezeit erstehen – also idealerweise Halbzeit abwarten! Schneller geht’s am Grill. Ein junger Mann mit Glatze und Sonnenbrille bietet Steaks und Würstchen an, dazu Ketchup und Senf – das Standardprogramm.

Das knusprig gebrutzelte Fleischstück, das man auf einem Plastikteller zurück zum Liegestuhl balanciert, erweist sich als ebenso saftig wie herzhaft mariniert. Vor der Verlängerung holen wir Nachschub, der Mann hinter dem Grill sagt, für sein labendes Steak gelobt: „Hey, ich mache hier nur meinen Job.“ Den machen sie im Waldschloss wie ihren Fernsehton: ziemlich gut.

ULRICH SCHULTE

Biergarten Waldschloss, Stahnsdorfer Str. 100, 14482 Potsdam. S-Bhf. Griebnitzsee aussteigen. Alle Spiele auf Leinwand. Eintritt frei. WM-Wurst: 1,50 Euro, WM-Steak: 3 Euro.