English for Runaways

Die geplante Reform der Masterstudiengänge für Englisch- oder Spanischlehrer ist eine Katastrophe. Wer künftig studiert, wird nur noch rudimentäre Sprachkenntnisse haben

Unsere Schulen müssen sich daran messen lassen, was etwa in Skandinavien Standard ist

Es war einmal, da fielen einem bei „Bologna“ lauter schöne Dinge ein: die niedlichen Bologneser Hündchen, die hochberühmte Universität, die herrlich schiefen Asinello- und Garisenda-Türme, die Spaghetti alla bolognese …

Heute steht Bologna für die Beschlüsse der europäischen Kultusminister zur Vereinheitlichung der Universitätsstudiengänge von Athen bis Lissabon, von Palermo bis Riga. Ebenso denkt man ja auch bei Pisa nicht mehr an den Campo dei Miracoli mit seinem wunderschönen Baptisterium und berühmten Schiefen Turm, sondern an die Schieflage des deutschen Bildungssystems.

Was immer man von den Bologna-Beschlüssen oder den Pisa-Studien halten mag – so wie sie hier nun in Berlin angekommen und von den Beamten der Senatsverwaltungen zusammen mit den Präsidien der Berliner Universitäten in Strukturvorgaben übersetzt worden sind, das lässt einen am Verstand der selbst ernannten Berufswissenschaftler irre werden, die hinter solchen Planungen stehen. Das gilt für alle lehramtsbezogenen Masterstudiengänge für zukünftige Englisch-, Französisch-, Spanisch-, Italienisch- oder Russischlehrer aller Schulstufen.

Ich rede nicht davon, dass in diesen Studiengängen – dem zweisemestrigen „Kleinen“ wie dem viersemestrigen „Großen“ Lehramtsmaster – die fachwissenschaftlichen Anteile auf ein Minimum von einem Seminar plus maximal zwei weiteren Lehrveranstaltungen zusammengeschrumpft werden sollen. Darüber zu klagen würde nur als Ausdruck professoraler Fachidiotie abgetan. Denn ohnehin gilt die Lehrerausbildung als zu akademisch und zu verwissenschaftlicht. Die Studenten müssten schließlich lauter Sachen lernen, die sie an der Schule nie brauchen würden – über die Dramen Shakespeares oder den modernen Roman, die Probleme der multikulturellen Gesellschaft in den USA oder den Zustand des Englischen unter den Bedingungen der Globalisierung.

Doch: Auch Fachfernen werden wohl die Haare zu Berge stehen, wenn sie hier wohl zum ersten Mal erfahren, dass die angehenden Fremdsprachenlehrer der Hauptstadt nach Abitur und Bachelor nun keine Fremdsprachen mehr lernen sollen. Und genau dies ist geplant: Für Englisch-, Französisch- und all die anderen Fremdsprachenlehrer ist in den Strukturvorgaben, die zwischen den Senatsverwaltungen und den Berliner Universitätspräsidien ausgehandelt wurden, keine Zeit (kein „Modul“) für die Verbesserung der Fremdsprachenbeherrschung mehr vorgesehen!

Wieso denn auch? Englisch kann ja sowieso jeder. Für das bisschen Französisch oder Russisch, das an der Schule noch vermittelt werden soll, reichen doch auch die Abiturkenntnisse der LehrerInnen aus. Zudem werden diese nicht ohnehin schon während des dreijährigen Bachelor-Studiums, das alle angehenden Master absolviert haben, bevor sie zu Meisterlehrern ausgebildet werden, weiter aufpoliert? Und trägt dazu nicht auch bei, dass an der Universität der Unterricht in diesen Fächern in der Fremdsprache abgehalten wird? Schließlich: Wenn den Fachvertretern schon so sehr an den Fremdsprachen liegt, warum opfern sie dann nicht einfach ihre ohnehin belanglosen Restbestände an Fachwissenschaft dem Sprachunterricht?

Difficile satiram non scribere: schwer fällt es hier in der Tat, keine Satire zu schreiben. Gerade in einer Gesellschaft wie unserer, in der so viele Menschen – bis hin zu unseren Bürokraten, Politikern und Rundfunksprechern – so schlechtes Englisch sprechen, ist es notwendig, dass zumindest die Englischlehrer mit der Ausdrucksvielfalt und Treffgenauigkeit von Muttersprachlern zu reden und schreiben lernen, um dies auch ihren Schülern vermitteln zu können. Irgendjemanden muss es doch noch bei uns geben, der seinen Landsleuten erklären kann, was „Sustainability“ eigentlich heißt!

Es hier mit dem Fremdsprachenunterricht im Bachelor-Studium abgetan sein zu lassen, kann nur befürworten, wer nicht die durchschnittliche Sprachkompetenz unserer Bachelor-Studenten aus eigener Anschauung kennt. Und die sprachliche Weiterbildung in den letzten zwei Jahren vor dem Berufseintritt ganz auszusetzen, ist fatal, weil Fremdsprachen nicht etwas sind, was man ein für allemal gelernt hat, sondern ständig in Übung gehalten und weiter entwickelt werden muss, schon um mit dem rasanten Sprachwandel unter den Bedingungen eines globalisierten Englisch Schritt halten zu können.

Vorlesungen auf Englisch zu hören und in überfüllten Seminaren zweimal im Semester zu Wort zu kommen, reicht nicht aus. Und was schließlich den Vorschlag betrifft, den Sprachunterricht doch dem ohnehin schon unerträglich verknappten fachwissenschaftlichen Deputat abzuknapsen, so würde das vollends die lebendige Anschauung der anderen Kultur in ihren literarischen, sprachlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Zeugnissen durch die sterilen Schemata von Berufswissenschaftlern zur interkulturellen Kommunikation ersetzen.

Am besten lernt man natürlich die Fremdsprache in der anderen Kultur selbst. Unter den früheren Vorgaben der Lehrerbildung fanden zu diesem inspirierenden und motivierenden Erlebnis auch die meisten der Lehramtsstudenten die Zeit. Nun, unter den Auspizien der Bologna-Beschlüsse, die durch ihre europäische Vereinheitlichung gerade der Studentenmobilität dienen sollten, wird sich ein Studienaufenthalt im Ausland kaum noch machen lassen.

So lernen Studierende nichts über Zustand des Englischen unter den Bedingungen der Globalisierung

Was dabei am Ende herauskommt, sind Fremdsprachenlehrer an unseren Schulen, die die Fremdsprache nur noch rudimentär beherrschen und die fremde Kultur allenfalls noch als Touristen kennen gelernt haben. „Sustainable“ ist das auf keinem Fall, und man kann nur auf eine Reform der Reform hoffen, die die ambitionierte Sprachenpolitik der EU – die Beherrschung zweier Sprachen und Kommunikationsfähigkeit in einer dritten – nicht zum leeren Lippenbekenntnis verkommen lässt.

Was bei diesen Vorgaben zum Fremdsprachenunterricht angehender Fremdsprachenlehrer in Berlin auf dem Spiel steht, ist die Qualität der Schulen in einer Hauptstadt, die sich so gerne – und nicht nur während der laufenden Fußballweltmeisterschaft – als weltoffen darstellen möchte. Unsere Schulen müssen sich nicht nur daran messen lassen, was in anderen Bundesländern geleistet wird, sondern auch an dem, was etwa in den Niederlanden oder in skandinavischen Ländern Standard ist.

Mit den hier anstehenden Vorgaben jedoch wird die Konkurrenzfähigkeit Berliner Schulen weiter gefährdet. Schiefe Türme sind weithin sichtbar, die Pisa- und Bologna-Türme der Berliner Schulpolitik müssen jedoch erst einer weiteren Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden, bevor sie uns unter sich begraben. Nur die Flucht an die Öffentlichkeit kann das daher vielleicht noch verhindern – eine Flucht, die umso notwendiger geworden ist, als bisherige Einwendungen der betroffenen Institute auf die tauben Ohren der Institutionen gestoßen sind. MANFRED PFISTER