Kein Konzept ist auch keine Lösung

Chelsea und Real Madrid sind die Verlierer dieser WM. Die Gewinner: die Labore der Moderne in Barcelona, Amsterdam und München

Kleine Denksportaufgabe: Nennen Sie fünf Fußballspieler aus der englischen Premier League, die bei dieser Weltmeisterschaft überzeugt haben? Puh, schwierig. Kevin-Prince Boateng fällt einem ein, Dirk Kuyt, vielleicht noch Carlos Tévez und Nigel de Jong. Der fünfte? Cesc Fàbregas, Fernando Torres und Robin van Persie stehen zwar im Finale, aber wirklich gut gespielt haben sie nicht.

Und sonst? Ein paar Ghanaer und einige US-Amerikaner, die man kaum kennt und die bei kleinen Klubs spielen. Diese WM hat den Abwärtstrend der Premier League bestätigt, der sich schon in der vergangenen Champions-League-Saison abzeichnete, in der keine englische Mannschaft das Halbfinale erreichte. Die englischen Klubs gehören zu den stillen Verlierern dieser Weltmeisterschaft und der FC Chelsea aus London ist mit Sicherheit der größte unter ihnen. Dessen Starspieler waren entweder gar nicht erst qualifiziert (Peter Cech), mussten von vornherein verletzt passen (Michael Essien, John Obi Mikel), traten bereits angeschlagen an (Didier Drogba) oder spielten einfach nur schlecht (die Engländer Ashley und Joe Cole, Frank Lampard, John Terry, dazu der Ivorer Kalou sowie die Franzosen Florent Malouda und Nicolas Anelka).

Keine Frage, die Mannschaft, die vor einigen Jahren noch Maßstäbe im europäischen Vereinsfußball setzte, ist am Ende, sie hat – trotz des diesjährigen Titels in der Meisterschaft – ihren Zenit überschritten und braucht einen Neuanfang. Ebenso zu den Verlierern gehört Real Madrid, dessen Stars Cristiano Ronaldo, Karim Benzema und Gonzalo Higuaín längst wieder aus Südafrika abgereist sind – wenn sie überhaupt je da gewesen sind. Zwar können sich die Madrilenen mit den Finalteilnehmern Iker Casillas, Sergio Ramos, Xabi Alonso und Rafael van der Vaart trösten, eine abermalige eindringliche Warnung vor einer Rückkehr zum Modell mit einigen wenigen galaktischen Fixsternen, die fußballerischen und ökonomischen Erfolg bringen, sollte diese WM dennoch sein.

Und die Gewinner? Der FC Barcelona, Ajax Amsterdam und der FC Bayern natürlich. Aber das nicht nur, weil diese Klubs so viele Spieler in den Halbfinals stellten und die ihren Marktwert erheblich steigern konnten (Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger, Pedro, Luis Suárez). Nein, ihre Leistung und ihre Reputation bei dieser WM bestehen darin, dass sie den Nationalmannschaften vorgemacht haben, dass sich nicht nur das Defensivverhalten konzeptionalisieren lässt, sondern auch das Offensivspiel. Dass es im modernen Fußball nicht genügt, auf die Geistesblitze Einzelner zu vertrauen, sondern dass „Räume vorbereitet werden müssen“ (Joachim Löw), damit „Chancen kreiert“ (Louis van Gaal) werden können.

Dass das dann auch noch hervorragend aussieht, ist schlussendlich auch ein Verdienst der Vorgaben aus dem Vereinsfußball – wo der Heldenfußball des FC Chelsea zum Auslaufmodell geworden ist. DOMINIK WEHGARTNER