Weiter klare Mehrheiten für Evo Morales

„Bewegung zum Sozialismus“ gewinnt Referendum und Wahl zur verfassunggebenden Versammlung in Bolivien

PORTO ALEGRE taz ■ Bei der Wahl zu einer verfassunggebenden Versammlung in Bolivien hat die regierende Bewegung zum Sozialismus (Mas) ihren Wahlerfolg vom vergangenen Dezember wiederholt. Hochrechnungen mehrerer Umfrageinstitute zufolge erzielte die Partei von Präsident Evo Morales am Sonntag erneut die absolute Mehrheit und wird etwa 135 der 255 Abgeordneten stellen, die am 6. August ihre Arbeit aufnehmen.

Den Stimmenanteil für die Mas bezifferte Morales auf 60 Prozent – die nationale Wahlbehörde wartete nur mit Teilergebnissen auf und will das amtliche Endergebnis erst in drei Wochen vorlegen. Rund 56 Prozent aller WählerInnen folgten zudem der Empfehlung des Staatschefs und lehnten eine größere Autonomie für die neun Provinzen ab, wie sie die rechte Opposition fordert. Doch die Volksabstimmung über die Autonomie machte erneut die Zweiteilung des Landes deutlich: In den vier östlichen Provinzen Santa Cruz, Tarija, Beni und Pando gab es klare Mehrheiten für das Ja. In Santa Cruz, der Hochburg der Autonomiebewegung, betrug sie 72 Prozent. „Der Zentralismus ist tot“, jubelte Gouverneur Rubén Costas vor tausenden Anhängern. Als Sprechchöre „Unabhängigkeit“ forderten, gab er sich staatsmännisch: „Es ist möglich, dass wir mit unseren Unterschieden zusammenleben“.

„Der Orgasmus der Mas ist vorbei“, sagte der Historiker Alcides Rojas. Gemessen an der auch von Morales geschürten Hoffnung, die Regierungspartei könnte zwischen 70 und 80 Prozent der Stimmen erzielen, hat er sicher Recht. In der verfassunggebenden Versammlung, wo eine Zweidrittelmehrheit für die Verabschiedung der Artikel vorgeschrieben ist, wird die Regierung zu Kompromissen gezwungen werden. Die liberale Politologin María Teresa Zegada begrüßte das Ergebnis. In der Versammlung findet sie die Zusammensetzung der bolivianischen Gesellschaft angemessen widergespiegelt und nicht die „vertikale Tendenz einer einzigen politischen Haltung“.

Andererseits konnte die Mas selbst im konservativen Südosten Boden gutmachen: Bei den Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung lag die Regierungspartei gleichauf mit dem jeweils dominierenden Bürgerblock. Hingegen brach die größte Oppositionskraft ein: Die Partei Podemos von Expräsident Jorge Quiroga sank seit Dezember landesweit von 28 auf 17 Prozent. Offenbar ging Quirogas Kampagne ins Leere, vor „kubanischen Verhältnissen“ zu warnen und Morales als Erfüllungsgehilfen von Hugo Chávez abzustempeln.

„Wir haben dreifach gesiegt“, sagte Morales – in der Autonomiefrage, bei den Stimmen und bei der Sitzverteilung in der verfassunggebenden Versammlung: „Diese Ergebnisse geben uns Kraft, um den Wandel in Bolivien fortzusetzen.“ Die Nationalisierungen und und der „Abbau des neoliberalen Modells“ gingen weiter, versprach der Präsident und gab sich konziliant: „Wir haben die Pflicht, andere soziale Kräfte und andere Regionen zu integrieren, damit sie den Wandel verstehen, den das bolivianische Volk sucht.“

GERHARD DILGER

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