Wann ist es Zeit für den Seitenwechsel?

LOBBYISMUS Bevor Politiker in die Wirtschaft gehen, sollen sie ins Abklingbecken, findet jetzt auch die Große Koalition. Die Vorschläge reichen von sechs Monaten (Union) bis drei Jahren (LobbyControl)

BERLIN taz | So weit herrscht Einigkeit quer durch die Fraktionen: Wenn Politikerinnen und Politiker in die Wirtschaft wechseln, sollten sie eine Karenzzeit einhalten. Darüber jedoch, wie diese Frist geregelt wird, gibt es Streit. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte im aktuellen Spiegel, die Koalitionäre würden „sehr bald“ eine Regelung finden. Seine Fraktion „tendiere zu 18, die Union zu 6 Monaten. Wir könnten uns auf einen Kompromiss bei 12 Monaten einigen.“

Für die Linke-Abgeordnete Halina Wawzyniak ein Unding. Man könne, sagt die Juristin der taz, „nicht einfach würfeln oder losen, auf welchen Zeitraum eine solche Karenz festgelegt wird“. Wawzyniak fordert deshalb einen festen gesetzlichen Bezugsrahmen. „Das sollte die Dauer des Übergangsgeldes sein.“

Übergangsgeld wird im Bundesministergesetz geregelt und richtet sich nach der Anzahl der Monate im Amt. Es wird für Minister und parlamentarische Staatssekretäre mindestens sechs Monate, maximal zwei Jahre gewährt. Auch Ronald Pofalla, der vier Jahre lang Angela Merkels Kanzleramtsminister war, steht das Übergangsgeld zwei Jahre lang zu. Solange, meint die Linke Wawzyniak, sollte er mit seinem Wechsel warten.

Am Donnerstag wird das Thema Karenzzeit eine Stunde lang Thema im Bundestag sein. Linke und Grüne bringen dann jeweils eigene Anträge ein. Möglicherweise einigen sich bis dahin Union und SPD auf eine „gemeinsame Lösung“, wie das CDU-Generalsekretär Peter Tauber am Montag nach der Gremiensitzung im Konrad-Adenauer-Haus formuliert hat.

Die Transparenz-Initiative LobbyControl kritisiert grundsätzlich den Wechsel von Spitzenpolitikern zu Lobbyisten. Derartige Fälle seien „kein demokratischer Austausch mit der Gesellschaft“. LobbyControl fordert eine Karenzzeit von drei Jahren.

Ebenfalls in der Debatte ist ein Verhaltenskodex, den sich BerufspolitikerInen selbst auferlegen. Für Halina Wawzyniak keine Lösung: „Einen Kodex kann man einhalten oder nicht“, sagt sie, man müsse das gesetzlich regeln. Denkbar wäre ergänzend ein Ausschuss, der über konkrete Wechselwünsche berät. Dort würden dann das jeweilige Bundestagsmitglied und der neue Arbeitgeber zu ihren Gründen gehört. „Das schafft Transparenz.“ ANJA MAIER

Meinung + Diskussion SEITE 12