Rechnen am Turnhallenrand

Bildungssenatorin legt Umfrage zu Unterrichtsausfall vor. In den Klassen 5 bis 10 fallen fast 100.000 Stunden im Jahr aus, davon werden 55.000 vertreten. Das sind mehr als früher, aber wie das geschieht, wurde nicht untersucht

An einer Wandsbeker Grundschule gibt es seit Februar einen Notfallplan. Jede Klasse wird in vier Gruppen aufgeteilt. Fehlt ein Lehrer, und findet sich auch keine Vertretung, dann wandern die Trupps in die Nachbarklassen. Dabei kann es auch passieren, dass die Gastkinder mit Arbeitsblättern auf dem Schoss am Turnhallenrand sitzen, während die Kameraden aus der Nachbarklasse Seilspringen dürfen.

Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) bezeichnete, damit konfrontiert, diese Szene als „nicht sehr geglücktes Beispiel“ für Vertretungsunterricht. In die Statistik für gegebene und nicht ausgefallene Schulstunden wandert es gleichwohl. Und hier hatte die Senatorin kurz vor den Ferien Gutes zu berichten. Der Unterrichtausfall in Hamburg, so das Fazit einer Schulumfrage ihrer Behörde, sei gegenüber einer Umfrage aus dem Jahr 2000 „signifikant zurückgegangen“, an den allgemeinbildenden Schulen gar um „gut ein Fünftel“.

Fielen in den Klassen 5 bis 13 zu rot-grünen Zeiten noch 4,42 Prozent der Stunden ganz aus, so sind es heute mit 3,43 Prozent knapp ein Prozentpunkt weniger. Zugleich stieg der Anteil der vertretenen Stunden. In absoluten Zahlen: Von rund 1,2 Millionen regulären Unterrichtsstunden, sind knapp 100.000 ausgefallen. Rund 55.000-mal stand ein Ersatzlehrer bereit.

Zu verdanken ist dies laut Dinges-Dierig dem Lehrerarbeitszeitmodel von 2003, das jeden Lehrer zu 38 Vertretungsstunden im Jahr verpflichtet. Auch wurde die Vertretungsreserve von einst 491 Stellen auf 535 aufgestockt und soll nun nochmals um 31 Stellen steigen.

An den Eingangs erwähnten Grundschulen, die die Kinder nicht nach Hause schicken dürfen, fällt nur jede tausendste Stunde ganz aus. 6,3 Prozent der Stunden werden vertreten. Wie oft dies nach dem oben erwähnten Notfallplan geschieht, hat Dinges-Dierig nicht untersucht.

Für die GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch ein Indiz, „dass die Senatorin das Problem nicht begreift“. Eine Voruntersuchung zur Umfrage aus dem Jahr 2000 habe seinerzeit auch analysiert, warum Unterricht ausfiel und wie er vertreten wurde. Dabei kam heraus, dass an Gymnasien nur ein Drittel des Unterrichts „fachgerecht“ vertreten wurde. „Es nützt nichts, wenn häufiger vertreten wird“, mahnt Goetsch. Die Schulen müssten den Unterricht „planmäßig“ erteilen. Hier hat sich die Statistik seit dem Jahr 2000 kein Stück gerührt. „Planmäßig erteilt“ wurden damals wie heute nur 92 Prozent der Stunden. KAIJA KUTTER