Das Feld kommt vors Volk

DIREKTE DEMOKRATIE Die Initiative für ein unverändertes Tempelhofer Feld hat 233.000 Unterschriften gesammelt – weit mehr als nötig. Sie wünscht sich einen Volksentscheid am 25. Mai. Senat will für seine Position werben

■ April 2008: Die Berliner stimmen darüber ab, ob der Flughafen Tempelhof als Flughafen erhalten bleiben soll. Die Mehrheit ist dafür, aber das Quorum von 25 Prozent der Wahlberechtigten wird verfehlt.

■ April 2009: Eine knappe Mehrheit von 51,4 Prozent der Abstimmenden ist gegen Religion als Wahlpflichtfach in den Schulen.

■ Februar 2011: 665.713 Berliner stimmen für eine Veröffentlichung der Verträge zur Privatisierung der Wasserbetriebe. Es ist der bislang einzige erfolgreiche Volksentscheid in Berlin.

■ November 2013: Der Volksentscheid für eine Rekommunalisierung der Energieversorgung scheitert knapp am Quorum. (hei)

VON SEBASTIAN HEISER
UND STEFAN ALBERTI

Die Bürgerinitiative „100 % Tempelhofer Feld“ hat ihr Ziel erreicht: Bis Montag um 24 Uhr gingen rund 233.000 Unterschriften für das Volksbegehren bei der Wahlleiterin ein. Damit es zur landesweiten Abstimmung kommt, müssen 174.000 davon gültig sein – also von volljährigen und wahlberechtigten Deutschen mit Wohnsitz in Berlin stammen. Es dürfen also nicht mehr als 25 Prozent der Unterschriften ungültig sein; die Prüfung dauert zwei Wochen. Beim Volksbegehren für eine Rekommunalisierung der Energieversorgung im vergangenen Jahr waren 16 Prozent der Unterschriften ungültig.

„Ich gehe davon aus, dass um die 200.000 Unterschriften gültig sind“, sagte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) am Dienstag. „Ich bedaure das, weil wir mit guten Argumenten für unsere Planung geworben haben.“ Der Senat will am Rand des Feldes den Bau von rund 4.500 Wohnungen erlauben, die Initiatoren des Volksbegehrens wollen den Park ganz erhalten. Müller will im nun folgenden Wahlkampf „weiter um Akzeptanz werben und in die Auseinandersetzung gehen“. Eine Werbekampagne ist dem Senat rechtlich verboten. Müller: „Wir dürfen aufklären und sagen, was wir wollen. Aber Plakate oder Radiospots sind nicht erlaubt.“ Diesen Teil müssen laut Müller andere übernehmen, etwa Verbände und Parteien.

Für Senatssprecher Richard Meng geht es bei dem Volksentscheid „darum, zu zeigen, ob Berlin veränderungsfähig ist“, erklärte er nach der Senatssitzung. Meng: „Wir haben auch nicht den Eindruck, dass wir eine Minderheit vertreten.“

Bis zu einer Entscheidung soll laut Müller nicht gebaut werden. „Es muss aber möglich sein, Pläne zu präzisieren und das Bebauungsplanverfahren weiter voranzubringen“, sagte er. Am Regenrückhaltebecken wird laut Müller schon deshalb derzeit nicht gebaut, weil über eine Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz noch nicht entschieden ist.

Die Abstimmung muss spätestens am 1. Juni stattfinden. Über den Termin entscheidet der Senat bis zum 17. Februar

Die Abstimmung muss spätestens am 1. Juni stattfinden. Über den genauen Termin entscheidet der Senat, er hat dazu bis zum 17. Februar Zeit. Die Bürgerinitiative wünscht sich eine Abstimmung am 25. Mai mit der Europawahl. Dann wäre es einfacher, das Quorum zu knacken: Damit der Gesetzesentwurf in Kraft tritt, müssen ihm 25 Prozent der Wahlberechtigten zustimmen.

Im Herbst hatte der Senat den Wahltermin bei einer Volksabstimmung über die Energieversorgung nicht mit der Bundestagswahl zusammengelegt. Stattdessen wurden die Berliner sechs Wochen später noch einmal zur Wahlurne gerufen – zum spätestmöglichen Termin. Damals begründete das Innensenator Frank Henkel (CDU) damit, dass die Zeit zwingend zur Vorbereitung der Abstimmung benötigt werde. Ob die Innenverwaltung diesmal schon früher mit der Organisation begonnen hat, damit die Abstimmung gemeinsam mit der Europawahl stattfinden kann, wollte sie nicht mitteilen. „Die ordnungsgemäße Durchführung eines Volksentscheides wird wie gewohnt sichergestellt“, hieß es stattdessen aus Henkels Pressestelle.

Der Verein Mehr Demokratie setzt sich für einen Termin gemeinsam mit der Europawahl ein: „Sollte es zum Volksentscheid kommen, fordern wir den Berliner Senat mit aller Nachdrücklichkeit auf, diesem keine Steine in den Weg zu legen.“