Lehrgang gegen Abschiebung

Gegen die drohende Abschiebung von vier bosnischen Kindern setzen sich nun auch deren Lehrer ein. Sie loben sie als gute Schüler und als ein Beispiel für eine gelungene Integration. Unterstützung kommt zudem von den Grünen

Fast könnte man meinen, es gäbe etwas zu feiern. Knallig rote Klebebänder zieren die grauen Wände des Hinterhauses. Knapp 20 Kinder tragen die Bänder als Gürtel, als Schärpe und als Haarschmuck. Auf dem Boden stehen Stühle, ein paar Gäste sind auch schon da. Die Kinder freuen sich über den Besuch ihrer Lehrer. Aber die vermeintlichen roten Girlanden sollen keine festliche Stimmung vermitteln. In großen schwarzen Buchstaben vermitteln sie vielmehr eine Warnung: „Hier geblieben!“ steht darauf.

Der 14-jährigen Milan hat tiefe Sorgenfalten im Gesicht. Während sein Großvater und Vormund Milos S. (60) den Gästen seine Geschichte erzählt und sein Lehrer den 14-Jährigen als Vorzeigeschüler präsentiert, scheint Milan mit seinen Gedanken weit weg zu sein. Gemeinsam mit seinen drei Geschwistern Dajana (15), Angelina (12) und Dusko (9) soll er nach Bosnien abgeschoben werden. Ursprünglich bereits am Freitag. Allerdings will die Senatsverwaltung nun eine Entscheidung des Petitionsausschusses abwarten, die voraussichtlich Mitte August getroffen wird. Auch die Härtefallkommission wird sich mit dem Fall beschäftigen.

Die Mutter der vier Kinder – ein Bürgerkriegsflüchtling – wurde bereits im Februar nach Bosnien abgeschoben. Sie leidet an Schizophrenie und ist seit Monaten verschwunden. In Bosnien haben die Kinder keine Angehörigen und würden in ein Kinderheim kommen.

„Wenn wir die Öffentlichkeit nicht informiert hätten, wären die Kinder schon längst weg“, sagt Josip V., der Onkel der Kinder und deutscher Staatsbürger. Er hat die Pressekonferenz organisiert. Die Stars der Veranstaltung sind für ihn die Lehrer der Kinder. Sie unterstützen die Familie. „Das hier sind die besten Lehrer überhaupt. Sie haben etwas unternommen, noch bevor wir sie darum gebeten haben“, sagt V. und zeigt auf Klaus Hirschfeld und Nina Tauer, Lehrer von Milan an der Neuköllner Kurt-Löwenstein-Schule.

Die beiden Pädagogen haben einen Brief an den Petitionsausschuss geschrieben, um sich für ihren Schüler einzusetzen. „Fast alle Kollegen haben unterschrieben“, sagt Hirschfeld. „Milan gehört zu den Schülern, von denen wir gerne mehr an unserer Schule hätten.“ Verantwortungsbewusst sei er und immer leistungsbereit.

Die Familie hat ein Tonband aufgenommen, das den Besuchern der Pressekonferenz vorgespielt wird. Die 15-jährige Dajana erzählt darauf ganz ruhig, dass sie gerne in Deutschland bleiben und Krankenschwester werden möchte. Großvater S. wirkt dagegen aufgebracht, wenn er sich für ein Bleiberecht für seine Enkel einsetzt. „Sie sind Deutsche“, sagt er und haut mit der Faust auf den Tisch. Er ist stark und will kämpfen, aber ab und zu steigen ihm auch die Tränen in die Augen.

Hilfe bekommt er vom Grips-Theater. Im Rahmen des Aktionsprogramms „Hier geblieben!“ hat das Theater eine bundesweite Mailaktion für die Kinder gestartet und die Familie mit den roten Klebebändern und mit Plakatmaterial ausgestattet.

Unterstützung vor Ort bekommt die Familie auch von den Grünen: „Es ist ein Unding, wie die Senatsverwaltung derzeit mit von Abschiebung bedrohten Familien umgeht“, sagt Thomas Birk, der im Petitionsausschuss sitzt. „Wir werden alles tun, damit diese Kinder nicht abgeschoben werden.“ KARIN SCHÄDLER