Yo, spy!

NSA Die USA sind wohl kaum zu Verzicht auf Spionage bereit. SPD empört, CDU-Minister will weiter verhandeln

„Wir nennen es ein Zusammenarbeitsübereinkommen“, sagt ein BND-Sprecher

VON MARTIN KAUL

BERLIN taz | Michael Hartmann darf sich jetzt noch einmal ganz neu aufregen. Der wortgewaltige Innenpolitiker der SPD-Fraktion gehörte schon in den vergangenen Monaten zu den fassungslosen unter den Bundespolitikern. An der Seite von Thomas Oppermann zog er gegen die damals noch schwarz-gelbe Bundesregierung zu Felde – weil diese nicht genug gegen die Massenausspähung durch US-Geheimdienste unternommen habe. Nun ist Hartmanns SPD in der Regierung. Und er ist schon wieder fassungslos.

„Wir dürfen uns das nicht bieten lassen“, sagte Hartmann am Dienstag – kurz nachdem die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf deutsche Geheimdienstkreise berichtet hatte, dass die USA offenbar kein Interesse an einem substanziellen No-Spy-Abkommen mit Deutschland haben.

Das Anti-Spionage-Abkommen war das Mittel der Wahl, mit dem die alte Bundesregierung aus Union und FDP sich nach Bekanntwerden der massenhaften Datenausspähung durch den US-Geheimdienst NSA zumindest ein Stück Souveränität erhalten wollte. In dem geheimen Abkommen sollte festgehalten werden, dass die Staaten etwa davon absehen, gegenseitig ihre Spitzenpolitiker auszuspionieren – wie dies etwa mit dem Telefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel über Jahre geschah. Was das Abkommen genau umfassen sollte, war dagegen nie öffentlich erörtert worden.

Die Süddeutsche berichtet nun von der Frustration innerhalb des Bundesnachrichtendienstes (BND). Selbst BND-Präsident Gerhard Schindler soll demnach intern erklärt haben, bei diesem Stand lieber auf ein Abkommen zu verzichten, statt es zu unterschreiben, heißt es in dem Bericht.

Dabei war bereits vorher zu erfahren, was in den USA von dem Abkommen gehalten wird. Im Dezember hatte die New York Times unter Berufung auf US-Sicherheitskreise berichtet, es gebe seitens der US-Regierung kein Interesse an einem solchen Abkommen.

Ein Sprecher des Bundesnachrichtendienstes sagte dagegen am Dienstag der taz, die „in Rede stehenden Verhandlungen“ dauerten weiterhin an: „Es liegt in der Natur der Sache, dass man solche Verhandlungen öffentlich nicht begleitend kommentiert.“ Er legte Wert auf die Feststellung, dass es sich dabei um ein sogenanntes Zusammenarbeitsabkommen handele. Das zeigt die Richtung auf: Von einem Anti-Spionage-Abkommen will auch der Bundesnachrichtendienst nicht reden.

CDU-Innenminister Thomas de Maizière wollte den Stand der Verhandlungen am Dienstag nicht kommentieren. Die Gespräche dauerten an, sagte er. Zwar hieß es aus den Regierungsfraktionen von CDU und SPD, dass das Abkommen nicht scheitern dürfe – welches politische Schwergewicht es allerdings durchsetzen soll, ist unklar. Sämtliche relevanten Regierungsposten, die im Zusammenhang mit der NSA-Affäre stehen, sind von der Union besetzt (siehe unten). Diese hatte sich in der Vergangenheit – etwa in Gestalt des früheren CSU-Innenministers Hans-Peter Friedrich sowie des für die Geheimdienstkoordinierung zuständigen früheren CDU-Kanzleramtsministers Ronald Pofalla – maximal zurückhaltend gezeigt und dafür auch viel Kritik eingesteckt. Die Antwort darauf war das No-Spy-Abkommen – das nun bröselt.

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