portrait
: Der Zehn-Milliarden-Dollar-Mann

Der Großvater wanderte als arabisch sprechender Christ nach Brasilien ein, der Vater baute dort im Landesinnern ein Unternehmen auf, die Mutter wurde in Nigeria geboren – eine sehr untypische Herkunft für einen Absolventen des französischen Eliteschulsystems. Doch genau dies durchlief Carlos Ghosn. Danach fing er beim Reifenkonzern Michelin an, stieg schnell auf und managte in den 90ern seine erste Übernahme: Die Franzosen verleibten sich den US-Traditionskonzern Uniroyal-Goodrich ein.

Zur Autobranche kam Ghosn nur, weil es bei den Reifen nicht weiterrollte. Er war zwar die Nummer zwei bei Michelin, doch den Chefposten hält dort traditionell ein Mitglied der Gründerfamilie. Also wechselte er 1996 zu Renault. Der französische Autobauer wurde gerade privatisiert, und Ghosn rationalisierte diverse Bereiche. Das machte ihn bei den Gewerkschaften unbeliebt, sie nannten ihn „le cost killer“. Auch intern hatte er Widersacher im Rennen um den Vorstandsposten.

Doch das Sanieren wurde der Motor von Ghosns Aufstieg. 1999 entschloss sich der Vater von vier Kindern zu einem veritablen Himmelfahrtskommando. Denn Renault hatte gerade für 5 Milliarden Euro einen Anteil am weit größeren japanischen Kfz-Hersteller Nissan gekauft. Dummerweise galt Nissan als überschuldeter Sanierungsfall. Medienwirksam inszenierte er seinen Antritt und versprach, in zwei Jahren entweder mit Nissan Gewinne einzufahren oder zurückzutreten. Er schaffte eherne Grundsätze des japanischen Konzerns ab – Konsensdenken, Beförderung nach Dienstjahren, Zusammenhalt mit den Zulieferern. Kritiker sahen das Ende von Nissan gekommen, doch Ghosn präsentierte nach zwei Jahren einen sagenhaften Nettogewinn von 3 Milliarden Euro. Damit war er zur unerreichten Manager-Kultfigur geworden, 2002 wurde „Ghosn-san“ als Vorstandschef von Renault nominiert, seit 2005 hat er den Posten offiziell inne.

Sein Ruf ist so phänomenal, dass ihm ein Großaktionär des von der Pleite bedrohten weltgrößten Autoherstellers General Motors aus Detroit kontaktierte: Ghosn möge doch bitte GM retten. Nicht, dass er sich das nicht zutraute. Er musste jedoch vorab seinen Aufsichtsrat fragen, weil er als einziger Mensch der Welt ja bereits Chef von zwei Autokonzernen ist. Die Fachwelt schätzt, dass eine Firma, die ihn als Chef anheuerte, 10 Milliarden Dollar an Börsenwert gewänne. Und den Zehn-Milliarden-Dollar-Mann drängt es schon lange in den schwierigen US-Markt. Dies mit Hilfe einer Teilübernahme der dortigen Nummer 1 zu erreichen wäre ein wahrhaft unkonventioneller Weg und wohl ganz nach dem Geschmack von Ghosn. REINER METZGER