Der Magen schreit nach Erlebnis

Essen zur Sättigung ist out: Kochschulen und so genannte Event-Dinner haben in NRW großen Zulauf. Laien lernen dort, Fisch zu filetieren. Auch exotische Restaurants sprießen aus dem Boden. „Das Gesamterlebnis zählt“

Essen war gestern – Erlebnis ist heute: Vorbei scheinen die Zeiten, in denen bei Kerzenschein ein Vier-Gänge-Menü bei gedämpfter Musik den Feinschmeckern genügte. Zunehmend mehr Menschen wollen neben einem guten Gericht auch etwas Erleben. „Essen gehen ist Out. Essen-Kochen schenken ist in. Die Leute wollen selber was dazu beitragen“, sagt Frank Bucholz. Der Koch, bekannt aus der VOX-Serie Kochduell, bietet spezielle Kurse in seiner Kochschule in Unna an. Aber auch Restaurants, in denen sich die Gäste die Zutaten ihrer Mahlzeit selber zusammenstellen, oder Dinnershows boomen.

„Wir waren eine der ersten Kochschulen in Deutschland“, sagt Buchholz. Im vergangenen Jahr startete er eine zweite Schule in Mainz. Mittlerweile sind es etwa 200 Kochkurse mit rund 4.000 Teilnehmern pro Jahr. Darin können Anfänger erlernen, mit Meeresfrüchten umzugehen, Hobbyköche ihre Fertigkeiten in der mediterranen Küche verfeinern, oder speziell Männer die Grundlagen der Nahrungszubereitung üben.

In der Profiküche mit polierten Marmoranrichten und glänzenden Töpfen zischt es in der Pfanne und brutzelt es im Ofen. „Heute geht es um Fisch und Meeresfrüchte“ kündigt Buchholz an. Die neun Kursteilnehmer in Unna stehen bereits in Schürze da, warten gespannt darauf, was als nächstes kommt. „Kann jemand gar nicht kochen?“, fragt Buchholz. Und Kursteilnehmerin Cornelia ermutigt ihren Partner Michael: „Melde dich ruhig“.

Danach lässt Buchholz die Teilnehmer auf die edlen Zutaten los. Es geht darum, eine Regenbogenforelle zu filetieren. Michael versucht sich daran und endet mit den Worten: „Ich glaub‘, das übe ich nochmal.“ Buchholz greift helfend ein und macht einen Witz, um den verschämten Michael wieder aufzumuntern. Und der ist zum Schluss von der Sache auch begeistert: „Es ist toll, mit vielen Leuten etwas zu kochen. Und es macht sehr viel Spaß, was zu lernen“.

Um den gemeinsamen Genuss und dessen Zubereitung geht es auch im Kölner Restaurant Mongo‘s. Ein kleine Schlange steht vor einer langen Buffett-Theke mit verschiedenen Zutaten: Neben Zucchini, Sojasprossen und Wasserkastanien greifen die Gäste auch zu exotischen rohen Zutaten wie etwa Känguru, Zebra, Krokodil, Antilope, Bison und Emu, Schwertfisch oder Hai. Eine individuell von den Gästen gefüllte Schale mit den zusammengestellten Gemüse, Fisch oder Fleisch übernimmt ein Koch hinter einer gläserner Wand. Als Höhepunkt bereitet er auf einem heißen Grill die jeweiligen Speisen nach Wunsch mit verschiedenen Marinaden vor den Augen der Gäste zu.

„Ein Show-Effekt für die Gäste ist, dass die Küche von außen einsehbar ist. Außerdem bestimmt der Gast selber wann, wie oft und was er essen will“, erklärt Spiridon Soukas, Betreiber und Geschäftsführer der Mongo‘s-Restaurantkette. Angefangen hat alles 1998 in Essen unter dem Stichwort „Mongolian Barbeque“. „Die Art der Zubereitung stammt ursprünglich aus der Mongolei, wo das Essen auf heißen Schildern gegart wurde“, beschreibt Soukas. Mittlerweile gibt es sieben solcher Restaurants und es gebe seinen Worten nach viele Nachahmer auf dem Gebiet. „Früher hat man gegessen, um satt zu werden. Heute will man ein Gesamterlebnis“, meint Soukas.

Und sein Konzept wird nachgefragt. „Die meisten kommen mit jemandem, der schon mal da war. Und die erklären dem Bekannten dann, wie es geht“, sagt Soukas. „Erlebnisgastronomie ist ein neuer Boom, wenn es gut gemacht ist. Dazu gibt es dann noch Entertainment-Gastronomie, wo alles auf die Spitze getrieben ist.“

Seiltänzer, Akrobaten, Comedy: Ob bei „Pomp Duck and Circumstances“, „Ganymée on water“ oder „Bajazzo“ – auch die Dinnershows in Deutschland boomen. „Essen allein reicht nicht aus, man möchte was erleben“, sagt Michael Busemann, Inhaber der Event-Agentur „Die Koelner“, die etwa die Dinnershow „Ganymée on water“ in Köln betreut hat. Zum Vier-Gänge-Menü eines Drei-Sterne-Spitzenkochs, wie Marc Haeberlin aus dem Elsaß, vergnügen sich dabei die Gäste auf einem Rheinschiff in Köln. Dabei sind zwischen den Gängen waghalsige akrobatische Einlagen von Artistikkünstlern inbegriffen. „An den Dinnershows gibt es großes Interesse, die Besucherzahlen steigen und es gibt immer mehr Anbieter“, sagt Busemann. Seiner Erfahrung nach müssen sie sich durch besondere Veranstaltungsorte und klingende Namen unterscheiden. Wie etwa der namhafte Roncalli-Zirkusmacher Berhard Paul, der gemeinsam mit dem Meisterkoch Eckhart Witzigmann ab Herbst in vier deutschen Städten eine „Dinnershow für alle Sinne“ präsentieren will. DPA