Rüttgers‘ Tauschbörse

NRW-Ministerpräsident Rüttgers wechselt in der Regierungszentrale durch: Staatskanzleichef Grosse-Brockhoff und Regierungssprecher Kemper werden ausgetauscht. SPD: „Offenbarungseid“

VON MARTIN TEIGELER

NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) ersetzt das Führungspersonal in seinem Machtzentrum. Nach monatelangen internen Querelen in der NRW-Regierungszentrale geben Staatskanzleichef Heinrich Grosse-Brockhoff und Regierungssprecher Thomas Kemper ihre Posten ab. Während Grosse-Brockhoff seinen Zweitposten als Kulturstaatssekretär behalten darf, wechselt Kemper in die Wirtschaft. Neuer Regierungssprecher und Staatssekretär für Medien wird am 1. September der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und jetzige Deutsche-Telekom-Manager Andreas Krautscheid. Leiter der Staatskanzlei im Düsseldorfer Stadttor wird der bisherige Bevollmächtigte des Landes beim Bund, Karsten Beneke. Dies teilte die NRW-Landesregierung gestern mit.

„Ich bin für einen offenen Kommunikationsstil“, sagte der designierte Regierungssprecher Krautscheid gestern zur taz. Seinen Vorgänger Kemper wolle er aber „nicht kritisieren“. Das Feld der Medienpolitik sei „für mich kein Neuland“, so Krautscheid. Der neue Staatskanzlei-Chef Beneke hatte in den 90ern im Bundesforschungsministerium unter dem damaligen „Zukunftsminister“ Rüttgers gearbeitet. Benekes Nachfolger als Staatssekretär beim Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten wird der Journalist Michael Mertes.

Über die Ablösung Grosse-Brockhoffs als Staatskanzleichef wurde seit Monaten spekuliert. Dem Cheforganisator waren Pannen und Peinlichkeiten angekreidet worden, die dem Land NRW seit Amtsantritt der schwarz-gelben Landesregierung regelmäßig Negativschlagzeilen bescherten. Interna über eine NRW-Imagekampagne wurden lanciert, führende CDU-Politiker witterten Intrigantentum und Politmobbing in der Staatskanzlei (taz berichtete). Zuletzt war Grosse-Brockhoff in die Kritik geraten, weil er nicht an der entscheidenden Jury-Sitzung zur mittlerweile gescheiterten Vergabe des Düsseldorfer Heine-Preises an den Dichter Peter Handke teilgenommen hatte.

„Man hat sich diese internen Prozesse ein Jahr angeschaut“, heißt es aus der NRW-CDU. Nun sei Ministerpräsident Rüttgers richtigerweise zu der Einsicht gelangt, dass „endlich Profis“ das Management der Regierungsarbeit übernehmen müssten. „Das kann aber nur ein erster Schritt sein“, sagte ein Mitglied des CDU-Landesvorstands. Noch immer gebe es „Polityuppies“ in Rüttgers‘ Umfeld, die sich weiter befehden würden.

„Auffällig ist, dass sich Rüttgers alter Seilschaften aus der Kohl-Ära bedient“, sagte die grüne Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann. Von einer guten Politik für NRW sei die Landesregierung weiter entfernt denn je. NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek bezeichnete die Personalrochade als „Offenbarungseid“. Die nunmehr „hektisch und überstürzt“ vorgenommenen personellen Veränderungen seien „alles andere als ein Befreiungsschlag“.