VOM TRINKTEUFEL VERFOLGT
: Der Ampelmann

„Kannst ja mitkommen. Zum Trinken.“ Es ist grad mal halb elf

„Dich kenn ich doch“, sagt der Typ neben mir an der Ampel.

Ich tret automatisch einen Schritt zur Seite, blöde Anmache an der Ampel finde ich doof. Da ist nämlich rot, und wenn dann auch noch Autos kommen, kann ich nicht einfach weiterlaufen, sondern maximal dahin zurück, wo ich herkomm, und das find ich noch doofer. „Ich wohn da oben“, sagt der Typ und zeigt auf das Haus auf der anderen Seite. „Mit dem Balkon.“ Er nickt mir zu. „Kannst ja mitkommen. Zum Trinken.“ Wie jetzt, zum Trinken?, denk ich. Es ist grad mal halb elf, und kennen tu ich den Typen immer noch nicht.

Ich starr ihn an, nee, kenn ich nicht. Aber das muss nichts heißen, ich kann mir nämlich Gesichter nicht merken. Das ist auch ziemlich doof. Der Typ dagegen kann sich Gesichter anscheinend schon merken, und das über Jahre hinweg. „Im Trinkteufel“, erklärt er mir, „haben wir uns getroffen.“ Im Trinkteufel war ich nur ein einziges Mal, und das ist ewig her. Ich erinnere mich nicht an allzu viel von dieser Nacht. Eigentlich nur an eines: Da war so ’n Typ, der voll nervte. Bloß wie der aussah, weiß ich nicht – ist schon doof, das mit dem Gesichter-nicht-Merken.

Aber so wie der Typ hier jetzt nervt, wird er’s wohl sein. „Trinkteufel“, sag ich also und schaue ihn an. „Aha.“ Er nickt enthusiastisch und weist erneut auf das Haus, wo er wohnt. „Kommste mit?“ Ich schüttle den Kopf und überleg, ob ich hinzufüg, dass ich ihn, falls ich ihn kenne, ziemlich nervig finde. Aber das erscheint mir doch zu viel Erklärung für jemanden, der eh nur nervt.

Also sag ich das nicht, sondern einfach nur „Nee.“ Er nickt, als hätt er nichts anderes erwartet, und dann geht er los, über die Straße ins Haus, wo er wohnt. Bevor er auf dem Balkon wiederauftaucht, will ich weg sein, also gehe ich auch. Und da ich grad eh in Kreuzberg bin, kann ich auch schauen, ob’s den Trinkteufel noch gibt. JOEY JUSCHKA