Scherbengericht im Parlament

RECYCLING Im Dezember wurden 7.500 Glascontainer unangekündigt abgezogen. Die SPD schimpft auf die Abfallwirtschaft – dabei wussten die Zuständigen im Senat Bescheid

„Eigentlich hat die Politik hier gar kein Mitspracherecht“

STAATSSEKRETÄR CHRISTIAN GAEBLER

VON UWE RADA

Daniel Buchholz redet sich in Rage. Von einer „überstürzten Aktion“ und „Chaos“ spricht der umweltpolitische Sprecher der SPD: „Fast die Hälfte der Glascontainer in drei Bezirken wurde ohne Vorwarnung abgezogen.“ Buchholz’ Brandrede ist der Auftakt zu einer Anhörung, die der Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses am Mittwoch zum Thema Altglassammlung angesetzt hat. Am Ende stellt sich aber die Frage: Was wusste SPD-Staatssekretär Christian Gaebler von der „Nacht-und-Nebel-Aktion“, bei der in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick Ende Dezember 7.500 Glascontainer verschwanden?

Glasrecycling sei eigentlich eine tolle Sache, meint Burkhard Dreier von der Firma Ardagh Glas GmbH. „Altglas kann zu 90 Prozent wiederverwertet werden. Aber dafür muss es sortenrein sein“, erklärt der Glasunternehmer den Ausschussmitgliedern. Und an dieser Sortenreinheit hapere es in Berlin: „Mittlerweile lehnt die Glasindustrie das Altglas aus Berlin ab.“

Dann ist also der Mangel an Trenndisziplin der Berliner schuld an dem Chaos, das SPD-Mann Buchholz so wortreich beklagt hat? Ja, meint Bernd Schneider vom Dualen System Deutschland (DSD), das die Glascontainer aus den drei östlichen Stadtbezirken abgezogen hat.

Viel zu viel Fehlwurf

Das DSD, das in Deutschland das Wertstoffrecycling betreibt, stellt den Berlinern ein mieses Zeugnis aus: Zu viel „Fehlwurf“ lande in den Glascontainern, steht in einer am Mittwoch vorgelegten sechsseitigen Stellungnahme. Außerdem werde in den Höfen und Müllstellplätzen nur Weiß- und Buntglas getrennt, die Industrie fordere aber die Trennung von Weiß-, Braun- und Grünglas. In der Aufbereitungsanlage Velten, heißt es, könne das Berliner Glas dem aus anderen Städten „nur portionsweise untergemischt werden“.

Logische Konsequenz für das DSD: Die wohnortnahen Glascontainer müssen durch Sammelcontainer – sogenannte Iglu-Container – ersetzt werden, wie sie überall in Deutschland stehen. Nur in Berlin stellen sie die Ausnahme dar.

Warum aber der Containerabzug als „Nacht-und-Nebel-Aktion“, wie der CDU-Abgeordnete Danny Freymark es nennt? Dafür macht DSD-Mann Schneider den Senat und die Bezirke verantwortlich: „Seit April 2012 wissen die von dem Problem.“ Und auch davon, dass das DSD den „Systemwechsel“ plane – von einem „Holsystem“ auf ein „Bringsystem“. Die Bezirke seien jedoch mit der Genehmigung der neuen Sammelstellen in Verzug gekommen. Und der Senat sowie die Wohnungswirtschaft hätten es versäumt, die Bürger über die Umstellung zu informieren.

Hier kommt Umweltstaatssekretär Christian Gaebler ins Spiel. Schließlich saß er zusammen mit dem DSD in einer „Arbeitsgruppe Glas“. Gaebler verteidigt sich: „Wir haben über verschiedene Optionen gesprochen, aber noch keine Entscheidung getroffen.“ – „Doch!“, entgegnet der DSD-Vertreter. Und wer hat jetzt recht?

Gaebler macht keine gute Figur, wird plötzlich dünnhäutig – das hat Daniel Buchholz sicher nicht mit seiner Brandrede beabsichtigt. „Im Grunde besitzt die Politik bei der Frage, wie recycelt wird, gar kein Mitspracherecht“, sagt Gaebler – es klingt, als sei allein schon die Einrichtung einer „Arbeitsgruppe Glas“ als Erfolg zu verbuchen.

Der Opposition reicht das natürlich nicht. Sie sorgt sich, dass nun Glas in die gelbe oder schwarze Tonne fliegt, und fordert die Rücknahme der Entscheidung. Und staunt, wie die eigenen Leute die SPD-geführte Umweltverwaltung vor einen Scherbenhaufen gestellt haben.