Wetten, es gibt Ärger?

Im Glücksspiel-Streit verhärten sich die Fronten: Trikotage des Fußball-Vizemeisters Werder Bremen wird zunehmend zum Lackmus-Streifen für Durchsetzungsfähigkeit der Monopolbefürworter

von Benno Schirrmeister

Das ist gewiss nicht nur eine Bremer Angelegenheit. Und sie spielt nicht nur in den oberen Fußball-Ligen. Auch dem Breitensport werden die staatlichen Ordnungshüter an die Wäsche gehen müssen – wegen der Trikotaufdrucke von privaten Sportwettenanbietern.

„Wir haben das nicht gezählt“, sagt der Präsident des norddeutschen und des Bremer Fußballverbandes, Dieter Jerzewski. Aber allein von der in Gera angesiedelten Firma bet and win sind im Amateur- und Jugendbereich geschätzte „30 Mannschaften“ mit einschlägig verzierter Kleidung beliefert worden. 30 Mannschaften, deren T-Shirts laut Innenminister- und der Ministerpräsidentenkonferenz verboten sind: Verstöße gegen das Strafgesetzbuch Paragraf 284 Absatz vier und zu ahnden „mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr“.

Aber bevor die Staatsgewalt die Bolzplätze zwischen Flensburg und Goslar mit Razzien aufmischt, und wohl auch bevor sie dem Traditionsclub Arminia Hannover am Leibchen zupft, wird die Sache in Bremen eskaliert sein. Denn der prominenteste Vertragspartner des Tipperunternehmens ist der SV Werder: Angeblich lässt der Wettanbieter mit DDR-Lizenz sechs Millionen Euro dafür springen, dass die Nummer Eins im Norden kommende Saison mit dem Firmenlogo aufläuft. Dagegen hat Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) eine Unterlassungsverfügung mit Antrag auf Sofortvollzug angekündigt. Worauf Werder-Geschäftsführer Manfred Müller seinerseits mit „Rechtsmitteln“ reagieren will: „Wir werden den Vertrag erfüllen.“

Müller wie Jerzewski, der auch Mitglied des DFB-Präsidiums ist, referierten gestern beim Fachgespräch der Bremer Grünen-Bürgerschaftsfraktion, für die Hauptkontrahenten traten b&w-Justiziar Jens Becker und Landeslotto-Chef Michael Barth auf. Die Fraktionshaltung zum Thema kann als unentschlossen beschrieben werden. Sie oszilliert zwischen einem überraschend weltfremden Steuer-Idealismus, nach dem es ein Irrweg wäre, Kultur- und Sporteinrichtungen mit Lottomitteln zu alimentieren, der Liberalisierungs-Option und der Frage, wie denn nun Zocker-Sucht mit den Mitteln des Glücksspiels zu bekämpfen ist.

Gerhard Meyer, Psychologie-Professor und Abhängigkeitsforscher an der Uni-Bremen konnte zwar darstellen das „die hohe Ereignisfrequenz“ Sportwetten besonders verführerisch machen. Zur Kernfrage indes, ob das Monopol, eine mit Auflagen und Lizenzen kontrollierte oder eine Komplett-Privatisierung das Mittel der Wahl ist, wusste er nicht viel zu sagen: Er halte „börsennotierte Unternehmen wie bet and win“ für „hauptsächlich an der Gewinnmaximierung ausgerichtet“. Das seien jedoch nur „persönliche Erfahrungen“. Über die Präventionswirkung eines Monopols gebe es indes„keine Studien“. Unter Berufung auf Meyer hatte auch das Bundesverfassungsgericht Ende März geurteilt, dass „derzeit nicht absehbar“ sei, wie sich eine Lockerung des Monopols aufs Suchtpotenzial bei Sportwetten auswirken würde. Wohl deshalb haben sich die Karlsruher Richter auch eine einschlägige Empfehlung verkniffen. Folge: Die jetzigen Turbulenzen.

Denn sowohl Privat- als auch Staatszocker jubilierten, nachdem für Recht erkannt worden war, dass das Monopol weder mit dem Grundgesetz noch mit dem EU-Recht vereinbar ist. Wenigstens, solange es nicht dem Ziel diene, „die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern“, und solange „die Finanzierung sozialer Aktivitäten der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik“ sei. Zugleich hatte es das grundsätzliche Verbot privater Wetten bekräftigt und die von den vier Besitzern der so genannten DDR-Lizenzen angebotenen Spiele neben Pferdewetten als Exempel für „Sportwetten als erlaubte Betätigung“ angeführt.

Komplexer geht’s kaum, missverständlicher auch nicht. Weshalb um die Deutungshoheit heftig gerungen wird: Im Urteil stehe klipp und klar dass „private Wetten verboten“ seien, beanspruchte sie Lottomann Barth für sich, und beim Blick auf „so manche Auslegung“ befalle ihn „Sorge um die Autorität unseres obersten Gerichts“. Was ein offensichtlich interessierter Zuhörer mit dem Zuruf „uns auch“ quittierte.

Nur wer auf eine friedliche Einigung tippt, erzielt gute Quoten. Eine spannende Frage aber, wie und ob die Exekutive in der Breite zugreift. Dass das kompliziert werden könnte lässt sich sogar an Werder erkennen: Die Spieler halten sich derzeit im traditionellen Trainingslager in Niedersachsen auf. Innenminister Uwe Schünemann verfolgt dort zwar dieselbe Linie wie sein Bremer Amtsbruder. Maßnahmen sind jedoch nicht geplant. Vielleicht ist ein Grund dafür, dass sich das Kicker-Camp auf Norderney befindet – und der Inselpolizist genug zu tun hat.