Die neue Skandal-Verhinderungs-Strategie

LOBBY Union und SPD wollen die Aufregung über Politikerwechsel in die Wirtschaft dämpfen – mit gut klingenden Absichtserklärungen

AUS BERLIN STEFAN REINECKE

Der Fall des CDU-Mannes Ronald Pofalla ist eigentlich untypisch. Die meisten Exegierungsmitglieder wechseln in Privatunternehmen, nicht in halbe Staatsbetriebe wie die Bahn. Und die meisten sind weniger prominent als Pofalla. Viele Exregierungsmitglieder, die sich ihre Kontakte vergolden lassen, sind der Öffentlichkeit eher unbekannt.

Zum Beispiel Bernd Pfaffenbach. Der Parteilose prägte fast zwanzig Jahre lang unter Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel die deutsche Wirtschaftspolitik mit. Schröder und Merkel diente er fünf Jahre lang als Unterhändler bei G-8-Gipfeln – ein Schlüsseljob. Nach seiner Pensionierung 2011 heuerte der international bestens vernetzte Exstaatssekretär bei der US-Bank J. P. Morgan an.

Oder Siegmar Mosdorf. Der SPD-Mann war bis 2002 Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Dann wechselte er zur Beraterfirma CNC, die „strategische Kommunikation für global agierende Unternehmen“ organisierte. Wie Pfaffenbach konnte er bei seinem fliegenden Wechsel seine in der Regierungszeit gewonnenen Kontakte verwerten. Mosdorf verabschiedete sich sogar auf einem offiziellen Briefbogen des Ministeriums von Firmenvertretern – und warb schon mal für seinen neuen Job.

Die Drehtür zwischen Regierungsvertretern und Wirtschaft ist gut geölt und wird gern benutzt. LobbyControl und Einzelkämpfer wie Marco Bülow (SPD) (siehe Interview) kritisieren dies seit Jahren – erfolglos. Auch die SPD sah lange keinen Handlungsbedarf und verteidigte Exkanzler und Gazprom-Mann Gerhard Schröder eisern. Doch nach den Fällen Eckart von Klaeden, der vom Kanzleramt als Cheflobbyist zu Daimler ging, und Ronald Pofalla scheint sich der Wind zu drehen. Sogar die Union gibt ihren hartnäckigen Widerstand gegen jede Regelung auf, wenn auch missmutig. Der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer, hält noch immer nicht die Verquickung von Regierungstätigkeit und neuem Job für das Schlüsselproblem, sondern die „reflexhafte Empörung über jeden Wechsel in die Wirtschaft“. Anderswo, stöhnt der CDU-Mann, wären solche Wechsel normal und würden „viel weniger diskutiert“. Man soll sich in Deutschland, so Grosse-Böhmer, „lieber freuen, wenn ein Politiker in die Wirtschaft geht“. Tenor: Alles halb so schlimm. Aber, so die widerstrebende Einsicht der Union, man brauche wohl Regeln, um die Skandalisierungsgefahr zu begrenzen.

Union und SPD haben sich nun im Groben geeinigt. Das Kabinett will in den nächsten Wochen beschließen, dass die Drehtür innerhalb einer Karenzzeit versperrt bleiben soll. Es dürfte auf eine kurze Zeitspanne von neun oder zwölf Monate hinauslaufen. Rechtsverbindlich ist ein Kabinettsbeschluss nicht. Es ist mehr eine Absichtserklärung.

Doch, so glaubt die SPD-Spitze, dieses Verfahren hat drei Vorteile: Es geht schneller als ein Gesetz. Zweitens: Der Effekt müsste der gleiche sein wie bei einem Gesetz mit Strafandrohung. Denn wenn ein Exminister gegen die Selbstverpflichtung der Regierung verstößt, müsste das auch für seinen neuen Arbeitgeber nach hinten losgehen. Unternehmen und Expolitiker müssten mit Imageschaden rechnen. Das ist gerade bei Beratungsjobs ein Malus. Drittens, so die SPD-Lesart: Die freiwillige Selbstverpflichtung durch Kabinettsbeschluss erspart die komplizierte juristische Debatte, ob eine Karenzzeit per Gesetz mit der im Grundgesetz verankerten Berufsfreiheit kollidieren könnte.

Also alles gut? Nicht ganz. Ein Kabinettsbeschluss dürfte wohl ein wirksame Hürde für Promintente sein. Gerhard Schöder hätten mit seiner Post-Polit-Karrieren zumindest ein paar Monate warten müssen. Ob eine Selbstverpflichtung aber auch eher unbekannte Strippenzieher wie Pfaffenbach von der eiligen Anschlussverwendung abhält?

Grüne und Linke sind unzufrieden mit dem Plan der Koalition und wollen Verbindlicheres. „Eine gesetzliche Regelung ist absolut notwendig“, so die grüne Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann. Das Beispiel Frauenquote zeige, dass Selbstverpflichtungen selten das erhoffte Ergebnis bringen. Zudem fordern die Grünen, wie die NGOs Transparency International und LobbyControl, eine längere Wartezeit von drei Jahren.

Die Linke Halina Wawzyniak hält die Frist von drei Jahren für recht willkürlich. Damit ein Karenzzeitgesetz nicht die Berufsfreiheit tangiere, seien flexible Regeln besser. Wer lange Staatsekretär war, hätte eine lange Karenzzeit, wer nur kurz Minister war, eine knappe. Eine kluge Idee. Vielleicht denkt die SPD noch mal drüber nach.