Lidl, gesponsert von der Weltbank

betr.: „Bislang muss Lidl den Boykott nicht fürchten“, Interview mit dem Wirtschaftsethiker Michael Schramm, taz vom 29. 6. 06

Die Expansion des Lidl-Kaufland-Konzerns (Schwarz-Gruppe) in Polen sei „nun mal ein ganz normales Bestreben eines Wirtschaftsunternehmens“, sagt Michael Schramm und kritisiert am „Schwarz-Buch Lidl Europa“ die „Feindbildrhetorik“, weil an einer einzigen Stelle das Wörtchen „aggressiv“ benutzt wird.

Als Autor und Leiter des Rechercheteams wundere ich mich und verweise auf die Fakten, die im neuen „Schwarz-Buch Lidl“ der Gewerkschaft Ver.di enthüllt werden: In den Jahren 2004 und 2005 haben zwei internationale Finanzinstitutionen – die Weltbank-Tochter IFC (International Finance Corporation) und die EBRD (Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) die Expansion von Lidl und Kaufland in Polen, Bulgarien und Kroatien mit rund 280 Millionen Euro finanziert. Die IFC-Kredite belaufen sich auf rund 38,1 Millionen (Lidl/Kaufland Polen), 41 Millionen (Kaufland Bulgarien) und 38,15 Millionen Euro (Lidl Kroatien), wie den Jahresberichten der IFC zu entnehmen ist. Die Höhe eines EBRD-Darlehens wird im „Schwarz-Buch Lidl Europa“ mit rund 160 Millionen Euro beziffert. EBRD-Sprecher Tony Williams, den die taz am 28. Juni zitierte, dementiert dies. Nach seinen Angaben sind es „nur“ 80 Millionen Euro. Das ist merkwürdig, denn Quelle für die Angabe im „Schwarz-Buch Lidl Europa“ ist EBRD-Vizepräsident Fabrizio Saccomanni.

Doch egal, ob es sich um eine Gesamtsumme von knapp 200 oder knapp 280 Millionen Euro handelt: Diese Investments laufen unter dem Label „Armutsverringerung“ . Die Rhetorik betreiben also andere. Wir haben dem die Einschätzung der Handelsforscher vom Institut Planet Retail entgegengesetzt, das mit der Expansion von Lidl, Kaufland und anderen großen Unternehmen die kleineren „Spieler“ in den Expansionsländern aus dem Handel ausscheiden würden. In unserer eigenen Analyse kommen wir – gestützt auf viele Berichte aus dem Innenleben des Konzerns – zu dem Ergebnis, dass die Unternehmensgruppe Schwarz Sozialdumping exportiert.

Was das alles mit „Feindbildrhetorik“ zu tun hat, bleibt das Geheimnis von Michael Schramm, der nicht einmal die für einen Wirtschaftsethiker nahe liegende Frage aufwirft, nach welchen Umwelt- und Sozialkriterien die Gelder an Lidl/Kaufland vergeben werden. Ich kann ihm auf die Sprünge helfen: Die IFC beispielsweise gibt sich im Wesentlichen damit zufrieden, dass es in der Unternehmensgruppe Schwarz keine Kinderarbeit gibt und die Kaufland-Standorte über Sprinkleranlagen verfügen. ANDREAS HAMANN, Berlin