„Wir wollen die Überproduktion stoppen“

PROTEST 20.000 Demonstranten und 60 Trecker erwartet Jochen Fritz auf der „Wir haben Agrarindustrie satt“-Demo am Samstag in Berlin. Und er ist überzeugt: „Die Regierung kommt am Thema Ernährung nicht mehr vorbei.“

■ 39, organisiert die Demo „Wir haben Agrarindustrie satt“ am Samstag in Berlin, die die taz als Medienpartner unterstützt. Mehr unter wir-haben-es-satt.de.

taz: Herr Fritz, der Bauernpräsident Joachim Rukwied hat laut der FAZ gesagt, ihn ärgerten die Ideologen, die versuchten, „Gülle über redlichen Bauernfamilien auszuschütten“. Wie viele Landwirte unterstützen Sie bei der Demo „Wir haben es satt“ am Samstag?

Jochen Fritz: Es sind nicht weniger, sondern mehr landwirtschaftliche Betriebe geworden. Ein Block von Bauern führt die Demo am Samstag sogar an. Alle namhaften Ökolandbauverbände unterstützen uns, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall, in der 1.000 Betriebe organisiert sind. Das sind auch wichtige Bauernorganisationen.

Die Demo findet zum vierten Mal statt. Haben die Proteste schon Ergebnisse gezeigt?

Es ist eine Bewegung für bäuerlich-ökologische Landwirtschaft entstanden, die sich gegen die Agrarindustrie stellt. In regionalen Gebieten werden mittlerweile größere Mastanlagen der Industrie oder riesige Schlachthöfe verhindert. An dem Thema, wie wir uns in Zukunft ernähren, kommen die Regierenden nicht mehr vorbei.

Nutzt sich das Interesse daran nach vier Jahren ab?

Das befürchten wir nicht. Den Menschen wird erst langsam bewusst, wie sie sich ernähren und um was für grundlegende Entscheidungen es geht. Die Bewegung ist im Wachstum, und die Reaktionen der Gegenseite werden immer heftiger. Wir haben bei der Atomindustrie auch über 20 Jahre gebraucht, bis sich etwas verändert hat.

Entwickeln sich auch die Teilnehmerzahlen entsprechend?

In der Vergangenheit sind wir immer mehr geworden. Wir waren bei den letzten Demos zwischen 18.000 und 25.000 Leuten. In diesem Jahr rechnen wir mit etwa 20.000 Menschen oder mehr. Es haben sich auch 60 Traktoren aus bäuerlichen Betrieben angekündigt, die sich etwa aus Göttingen auf den Weg machen. Die Leute lassen nicht mehr locker.

Was ist in diesem Jahr Ihr Schwerpunkt?

Wichtig ist zum einen das Freihandelsabkommen mit den USA. Hier könnten alle unsere Bemühungen aus den vergangenen Jahren ad absurdum geführt werden: die Gentechnikfreiheit auf europäischen Flächen zum Beispiel, oder dass keine Hormone in Fleischprodukten eingesetzt werden. Außerdem stehen um die 40 Millionen neue Mastplätze für Hühner und 2,5 Millionen für Schweine zur Genehmigung. Wir wollen die Überproduktion stoppen.

INTERVIEW: EVA OER