Koreanische Sommernacht

Shakespeares Theatertruppe „The Chamberlain‘s Men“ hätte sich über das Globe in Neuss gefreut. Dort findet jährlich das Skakespeare-Festival statt. Das Publikum ist seit 1599 ruhiger geworden

VON PETER ORTMANN

Wäre es nicht schön, „Jedermann“ könnte seinen Müllbeutel mit ins Theater nehmen und beim kleinsten Ärger (Schlechtes Stück, schlechte Inszenierung, schlechte Schauspieler) die fauligen Reste über die Steine des Anstoßes kippen? Zu elisabethanischen Zeiten war das in London möglich. 1599 baute Shakespeare am Südufer der Themse für seine Theatertruppe „The Chamberlain‘s Men“ das hölzerne „Globe Theatre“. Es war sechseckig einem Amphitheater nachempfunden, fasste unglaubliche 1.200 Zuschauer, von denen die meisten wohl am liebsten betrunken Skakespeares Werke genossen, jeden obszönen Witz – und davon gab es reichlich – grölend kommentierten, und auch schon mal vom zweiten Stock auf die Bühne kotzten. Nach 14 Jahren brannte das Globe dann ab. Heute existiert am Londoner Originalschauplatz wieder eine Kopie und bei jeder Führung durch den Holzbau werden mit Scheußlichkeiten neue Legenden gestrickt.

Auf der Rennbahn in Neuss steht seit 1991 auch ein Globe: Eigenwillig, zwölfeckig, aus Holz und Stahl, ein Bau mit schwarz-weißen Blendläden vor kleinen Fenstern. Fans der wilden Stücke des englischen Dichters pilgern alljährlich an den Rhein – zum Shakespeare-Festival. Die Ensembles kommen für vier Wochen sogar aus Übersee. Macbeth redet dann vor über 500 Zuschauern auch mal in Kisuaheli, Romeo und Julia beglücken sich auf bayrisch. In diesem Jahr trollt Puck koreanisch durch den Sommernachtstraum. Die Yohangza Theatre Company aus Seoul entwickelte vor dem Hintergrund eines alten koreanischen Mythos mit ähnlicher Handlung den Skakespeareschen Sommernachtstraum fast mühelos aus dem Spiel mythischer Kobolde. Mit Tanz, Gesang, Pantomime und Perkussion entsteht ein Analogiezauber zwischen den Kulturen, der den Zuschauer interessanter ohne sprachliche Verständnisprobleme wieder in die Nacht entlässt.

Eine der brillantesten Komödien der britischen Sixties ist das geniale Konversationsstück „Rosenkranz und Güldenstern sind tot“ von Tom Stoppard. Die beiden werden im „Hamlet“ schmählich vernachlässigt, erhalten nun ihre Chance und dürfen endlich um ihre Daseinsberechtigung kämpfen. Sie sind nun die Hauptfiguren, und ihr Auftrag, den Prinzen von Dänemark auszuhorchen, erhält ungeahnte Dimensionen. Der philosophische Slapstick über Schicksal und Zufall, Tod und Vergänglichkeit, Sein oder Nichtsein kommt von der Bremer Shakespeare Company.

Der Theatermacher Reinhard Schiele entwickelte 1987 die Idee, für seine Wandertruppe „Schloßtheater Overhagen“ eine mobile Bühne zu bauen und ließ sich dabei von Shakespeares Globe inspirieren. Er wollte eine Wanderbühne entwerfen, wie sie wohl auch Shakespeares Truppe heute errichtet hätte. In seinem ersten Entwurf sollte das heute zwölfeckige Globe – ähnlich seinem Londoner Vorbild – aus Holz bestehen, um in relativ kurzer Zeit auf jedem Markt- oder Kirmesplatz auf- und wieder abgebaut werden zu können. Doch die Feuerschutzbestimmungen machten diesem Plan ein Ende. Das Globe bekam eine aufwändigere Holz- und Stahlkonstruktion. Für Schieles mobile Wanderbühne war es nun nicht mehr geeignet und nach einem ersten Theatersommer in Rheda-Wiedenbrück zur Bundesgartenschau 1988 stand es deshalb auch zwei Jahre leer. Die Stadt Neuss kaufte den Bau, der seitdem auf dem Gelände an der Rennbahn steht.

20. Juli bis 19. August 2006Infos: 02131-273242