Schnelles Abi ist ein Flop

Mathe-Vergleichsarbeit in achten Klassen der Gymnasien sehr schlecht ausgefallen. Für Elternvertreter beweist das die Schädlichkeit verkürzter Gymnasialschulzeit. Umfrage ergibt: Jeder zweite Schüler klagt über Kopfschmerzen und Stress

„Gras wächst auch nicht schneller“, sagt ein afrikanisches Sprichwort, „wenn man daran zieht.“ Ungefähr nach dieser Methode aber wird in Hamburg derzeit die Verkürzung der Gymnasialschulzeit von neun auf acht Jahre durchgezogen: Größtenteils wird der Lehrstoff des wegfallenden Schuljahres einfach in die unteren Stufen verteilt. Pionierjahrgang sind die jetzigen achten Klassen, die bereits Stoff der neunten Klassen beherrschen müssen. Eine zentrale Vergleichsarbeit in Mathematik zum Schuljahresende hat nun offenbart, dass das nicht funktioniert.

„Das Ergebnis ist desaströs“, sagt Elternvertreterin Edda Georgi. In einzelnen Klassen „haben 18 von 28 Kindern eine fünf oder sechs“ geschrieben. Schulleiter hätten eingeräumt, dass der Test hamburgweit miserable Ergebnisse erbracht habe. Für die Elternvertreterin Marielle Kirsch aus dem Hamburger Westen ist das nur die „Spitze eines Eisberges“: Die Vergleichsarbeit mache deutlich, was für ein Flop die Abiturverkürzung sei. Die Kinder lernten mit Schulbüchern der neunten Klasse. Die Vergleichsarbeit, das wisse sie von einer Lehrerin, habe den Achtklässlern Textaufgaben vorgegeben, „die von den intellektuellen Fähigkeiten her an der Oberstufe ansetzen“.

Bildungsbehördensprecher Alexander Luckow bestätigt, dass die Arbeit mit einem landesweiten Schnitt von 4,31 „deutlich zu schlecht“ ausfiel. Dies habe aber nicht mit einer „fehlerhaften Aufgabenstellung“ zu tun. Auch könne „kein Zusammenhang zum achtstufigen Gymnasium gesehen werden“, weil es sich um „Rahmenplaninhalte der Klasse acht“ handle. Indes räumt Luckow ein, dieser Plan sei nicht mehr „exakt derselbe“ wie früher.

„Natürlich haben wir den Stoff komprimiert und in Klasse acht schon Elemente von Klasse neun drin“, sagt auch der Schulleiter eines Gymnasiums. Bei der Vergleichsarbeit sei hinzugekommen, dass sie „didaktisch falsch aufgebaut“ gewesen sei. Auch habe die Behörde Fragestellungen verwendet, die an den Schulen noch nicht Praxis seien.

Besonders bitter findet Edda Georgi, dass in dem getesteten Jahrgang mehr Kinder Nachhilfe nähmen als je zuvor. Allein in Mathe, das hat die Diplomsozialpädagogin in einer Umfrage unter 16 siebten und achten Klassen erhoben, nimmt jeder Vierte privaten Zusatzunterricht. Berücksichtigt man weitere Fächer, so drückt demnach jeder Zweite die Nachhilfebank. „Die Kinder lernen nur noch für die Schule“, sagt Georgi, „und haben dann solche Misserfolge“. Diese wirkten sich auch auf die Gesundheit aus: Knapp die Hälfte der Befragten klage über Stresssymptome.

Ein Warnhinweis, dass die Schulzeitverkürzung nicht schneller klüger macht, hatte übrigens erst vor einer Woche die so genannte „Kess 7“-Studie ergeben (taz berichtete). Ihr zufolge sind die heutigen Siebtklässler in Mathematik exakt so weit wie 1998 Getestete. Mit dem Unterschied, dass diese damals noch ein Jahr mehr Lernzeit vor sich hatten. KAIJA KUTTER