Unruhe als Tugend

EXPERIMENTELLER HIP-HOP Zappelige Finger und eine unruhige Zunge: Das kalifornische Hip-Hop-Duo „Themselves“ hat seine Verhaltensauffälligkeiten zu Tugend und Beruf gemacht

So blieb dem Zappelphilipp nur, die Unruhe zu Tugend und Beruf zu machen

VON NILS SCHUHMACHER
UND ROBERT MATTHIES

Wo der Wind beim kalifornischen Hip-Hop-Kollektiv und Label „anticon.“ hinweht, ist dem Firmennamen zu entnehmen: Der steht seit 1997 für die deutliche Absage an Konformismus und Konventionalität und den lobenswerten Versuch, Grenzverschiebungen im Hip-Hop zu initiieren und dabei den angenehm verwirrten Hörerinnen und Hörern einen Blumenstrauß neuer Stile und Haltungen mit auf den Weg zu geben.

Während die dort beheimateten Hippie-Hopper „Why?“ dabei fast schon umfassende Marktgängigkeit repräsentieren, markieren die Label-Mitbegründer „Themselves“ den anderen Pol des Versuchs, Hip-Hop wieder als weit verästeltes Experimentierfeld sichtbar zu machen. Ganz anders als im gemeinsam mit „The Notwist“ initiierten Projekt „13 & God“ gibt es von Adam Drucker aka Doseone und seinem Kollegen Jel viel sperriges Zeug, elektronisches Getöse und Helium-verzerrte Stimmen. Konventionelle HipHop-Freundinnen und -freunde fallen möglicherweise auf der Stelle tot um. Für den Rest dürfte es morgen im Hafenklang ein – nicht restlos verständlicher – großer Spaß werden.

Verantwortlich für das Unverständnis ist dabei nicht zuletzt die Disposition der Protagonisten: Doseone zeichnet sich neben seinem ausgeprägten Hang zu blickfängerischem Gewand und akrobatischem Gesicht durch zwei Verhaltensauffälligkeiten aus: zappelige Finger und eine Zunge, die einfach nicht stillhalten kann. Hätte er nicht zwei Hippieeltern gehabt, deren Ideale noch größer waren als die gemeinsame Liebe, die Hyperaktivität des Nimmermüden wäre längst in einem Berg von Ritalin erstickt worden.

So blieb dem Zappelphilipp nur, die Unruhe zu Tugend und Beruf zu machen. Die nimmermüden Finger flitzen seitdem in Höchstgeschwindigkeit simultan über Sampler und Synthies, während die unruhige Zunge sich in nasalen, hochgepitchten, schnellen, polyrhythmischen und abstrakten Raps über die Kindheit, die Natur, den amerikanischen Alltag im Allgemeinen austobt. Schon vor zwölf Jahren hat er damit den damals noch unbekannten Freestyle-König Eminem von der Bühne verwiesen. Und seinen späteren Kollegen Jeffrey Logan aka Jel nachhaltig beeindruckt.

Der hat eine ganz andere Geschichte zu verdauen: Das Kind zweier Pfingstkirchler befüllte monatelang Autotanks, um sich endlich eine SP-1200-Drummachine kaufen zu können. Seitdem bastelt er ganz ohne Sequenzer Beats darauf, die in ihrer Fingerfertig- wie Absonderlichkeit nur noch auf eines gewartet haben: Doseones Raps.

Nach sechsjähriger Pause haben die hyperaktiven Hip-Hopper letztes Jahr gleich zweimal zugeschlagen: „TheFREEhoudini“ im Mixtape-Stil vereinigt alle Rapper, mit denen sie je zusammengearbeitet haben. Das dritte Album „CrownDown“ erschien kurz darauf – als Denkmal für den Rap.

■ Fr, 16. 7., 22 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84